Im Vorjahr hat es in Österreich 356 Pneumokokken-Fälle gegeben. 19 Erkrankte starben, zeigt der Jahresbericht der nationalen Referenzzentrale für Pneumokokken. Im April 2020, also im ersten Corona-Lockdown, wurden 20 Prozent weniger Fälle als im Vergleichsmonat 2019 gemeldet, im Jahresvergleich gingen die Zahlen um 42 Prozent zurück. "Der Trend nach oben dürfte leider trotzdem nicht gebrochen sein", warnte Ursula Kunze vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien am Montag.

"Es ist sogar zu erwarten, dass wir in den nächsten Jahren ähnlich viele oder sogar mehr Fälle von invasiven Pneumokokken-Erkrankungen sehen werden als 2019, wenn sich nicht mehr Menschen, besonders Risikogruppen und Ältere, dagegen impfen lassen", erläuterte die Wissenschafterin in einer Aussendung. 2019 waren 615 Fälle registriert worden, 2013 beziehungsweise 2014 waren die Fallzahlen mit 355 und 323 zum letzten Mal ähnlich hoch wie 2020, damals ohne Covid-Schutzmaßnahmen.

Bakterien, die durch Impfung bekämpft werden können

Im Unterschied zu SARS-CoV-2 oder Influenza ("echte" Grippe) handelt es sich bei Pneumokokken nicht um Viren, sondern um Bakterien. Sie werden durch Tröpfchen von Mensch zu Mensch übertragen. Insgesamt sind knapp 100 Pneumokokken-Serotypen, also Untergruppen, bekannt. Insgesamt waren im Vorjahr mehr als zwei Drittel der Erkrankungsfälle mit identifizierten Serotypen auf in Impfstoffen enthaltene Serotypen zurückzuführen. Ein Großteil der Infektionen wäre also durch die verfügbaren Impfstoffe abgedeckt gewesen.

Pneumokokken-Schutzimpfungen existieren seit Jahren. Im österreichischen Impfplan wird die Immunisierung allen Personen ab 60 sowie Risikopersonen jeden Alters mit Vorerkrankungen empfohlen. Notwendig sind zwei Impfungen mit verschiedenen Impfstoffen. Viele Erwachsene, aber vor allem Kinder sind mit Pneumokokken besiedelt, ohne krank zu sein. Wenn sie aber erkranken, ist eine Therapie mit Antibiotika erforderlich.

2020 erkrankten auch acht Kinder unter einem Jahr und drei Kinder unter zwei Jahren. Ähnlich wie bei Erwachsenen leiden auch sie häufig an Lungenentzündungen, bei ihnen können sich Pneumokokken-Infektionen aber auch in Form von Mittelohrentzündungen äußern. Kinder können ab dem dritten Lebensmonat geimpft werden, in diesem Fall ist die Impfung dreiteilig und bis zum fünften Lebensjahr gratis.

Dunkelziffer höher

"Pneumokokken-Erkrankungen werden immer noch unterschätzt", betonte Kunze. "Im Krankenhaus sehen wir ja nur die Spitze des Eisbergs. Viele jener Lungenentzündungen, die glücklicherweise noch von Hausärztin oder Hausarzt behandelt werden können, gehen ebenfalls auf Pneumokokken zurück und wären in vielen Fällen durch Impfungen vermeidbar. Leider ist die Durchimpfungsrate, die derzeit gerade einmal im niedrigen zweistelligen Bereich liegt, viel zu gering", berichtete die Impf- und Public-Health-Expertin.