Während zu Beginn der Pandemie unklar war, wie groß das gesundheitliche Risiko für Kinder tatsächlich ist, weiß man nun nach eineinhalb Jahren mit dem Coronavirus relativ gut Bescheid. Klar ist mittlerweile: Wenn ein Kind an Covid-19 erkrankt, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass es einen schweren Verlauf hat. Noch geringer ist die Gefahr, dass Kinder dann auch wirklich auf eine Intensivstation müssen. An einer Coronainfektion versterben ein bis drei Kinder pro 100.000 Infizierten.

Unterschiede in den Altersgruppen

Das Risiko, wegen einer Covid-Infektion ins Krankenhaus zu müssen, unterscheidet sich auch zwischen den Altersgruppen, wie Berit Lange Leiterin der Klinischen Epidemiologie Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (Braunschweig) erklärt: „Die Gefahr, dass jemand, der SARS-CoV-2 infiziert ist, ins Krankenhaus muss, ist für die Null- bis Vierjährigen mit zwei bis vier Prozent höher als für die etwas älteren Kinder.“ Mit zunehmendem Alter der Kinder sinkt das Risiko. So liegt es bei den 14- bis 15-Jährigen bei etwa 0,5 Prozent. Danach steigt das Risiko wieder an.

„Diese Zahlen sind auch trotz der Deltavariante gleichgeblieben“, so Lange. „Was sich durch Delta und somit im Vergleich zum letzten Herbst geändert hat, ist, dass die Übertragbarkeit des Virus nochmals angestiegen ist. Das heißt, das Virus insgesamt verbreitet sich schneller und es sind schneller mehr Menschen betroffen.“ Das betreffe vor allem die junge Altersgruppe, da diese bisher noch nicht geimpft ist. Dadurch werden sich auch unweigerlich mehr Kinder anstecken. Ein Anstieg der Infektionen hat laut Expertinnen und Experten dann auch zahlenmäßig mehr schwere Verläufe und Long Covid-Fällezu Folge.

Unterschiede im Immunsystem 

Doch warum sind Kinder weniger anfällig für einen schweren Verlauf als Erwachsene? Zu beachten gelte es hierbei vor allem, dass sich das Immunsystem der Kinder von dem der Älteren unterscheidet, erklärt Pädiater Jörg Dötsch: „Bei Kindern bis zum zwölften Lebensjahr ist das Immunsystem noch nicht ganz ausgebildet. Allerdings bringt das auch einen Vorteil mit sich: Um vor Eindringlingen zu schützen, greifen die Schleimhäute von Jüngeren sehr viel stärker in die Immunkontrolle ein. Wenn Viren auf diese Schleimhäute kommen, dann werden sie dort schon stärker bekämpft und erreichen dadurch den Körper nicht so gut.“ Eine weitere Rolle spielt vermutlich das Gefäßsystem. Bei Erwachsenen hat dieses oft schon Schäden erlitten, während es bei Kindern meist noch unbeschadet ist.  

Dennoch zeichnet sich durch die steigenden Infektionen derzeit im Klinikalltag ab, dass sich zunehmend mehr Kinder infizieren: „Wir haben nun mehr Kinder mit positiven Abstrichen in den Kliniken. Allerdings kann man zum Glück sagen, dass neun von zehn zwar einen positiven Abstrich haben, aber wegen einer anderen Krankheit im Spital sind.“ Nur eines von zehn Kindern, die im Krankenhaus positiv getestet wurden, muss also wegen einer schweren Covid-Erkrankung behandelt werden.

Vorerkrankungen steigern das Risiko

Dennoch sind schwere Verläufe bei Kindern möglich – vor allem dann, wenn Vorerkrankungen vorliegen: „Vor allem Kinder mit sehr starkem Übergewicht sind betroffen“, erklärt der Mediziner. Aber auch junge Menschen mit Trisomie 21 haben ein erhöhtes Risiko, schwer zu erkranken: „Bei den Betroffenen ist das Immunsystem meist schwächer und es können verschiedene Fehlbildungen vorliegen. Außerdem betrifft Trisomie 21 verschiedene Systeme im Körper.“ All diese Faktoren machen Kinder mit Downsyndrom anfälliger.

Unter Zwölfjährige mit Vorbelastungen daher schon vor einer Zulassung "off-label" zu impfen, hält der Experte allerdings nicht für den richtigen Weg: „Wir sprechen uns nicht für eine Off-Label-Impfung aus. Hier muss man klar sagen: Es gibt viele nicht erstgeimpfte Erwachsene. Und wir Erwachsenen haben eindeutig die Pflicht, durch eine Impfung jene zu schützen, die sich nicht impfen lassen können. Dieser Pflicht müssen wir stärker nachkommen.

Zulassung im Herbst erwartet 

Mit Zulassungsdaten für die Impfung der Sechs- bis Elfjährigen rechnet Dötsch bis Ende September. Ende Oktober könnten dann auch jene für die unter Sechsjährigen folgen. „Solange wir die Impfung für die unter Zwölfjährigen nicht haben, müssen wir Infektionsraten auf andere Weisen senken. Denn wenn sich so gut wie alle anstecken, sind es dann im Endeffekt doch keine geringen Sterbezahlen“, so der Mediziner.

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