Der Mai ist der Monat der Hautgesundheit. Unsere Haut ist ein faszinierendes Organ. Sie muss vieles aushalten und sowohl robust wie auch sensibel sein. Außerdem spielt unsere Haut auch eine wichtige Rolle, wenn es um unser Wohlbefinden geht. Denn sie bestimmt, wie wir uns sehen und gesehen werden. Was man an ihr hat, bemerkt man meist erst, wenn etwas nicht stimmt. 

Bis zu einem Fünftel der Kinder und zwei bis fünf Prozent der Erwachsenen leiden an atopischer Dermatitis – besser bekannt als Neurodermitis. Die Hauptsymptome der Erkrankung sind ein entzündliches Ekzem und quälender Juckreiz. Nach jahrelangem Stillstand verspricht aktuell eine ganze Reihe von neuen Behandlungsmöglichkeiten deutliche Besserung: wirksame Salben, monoklonale Antikörper und Arzneimittel in Tablettenform.

Entzündlicher Teufelskreis 

"Die atopische Dermatitis ist jedenfalls die häufigste chronisch-entzündliche Hauterkrankung in Europa. Oft treten die Symptome schon im Kleinkindalter auf. Bei Kindern bis hin zum Vorschulalter zeigen zehn bis 15 Prozent zumindest vorübergehend Zeichen der Erkrankung. Es gibt auch Angaben von einer Häufigkeit bei Kindern von bis zu 20 Prozent", sagte Andreas Pinter von Abteilung für Dermatologie Universitätsklinik Frankfurt am Main vor Kurzem. Zwei Prozent der Erwachsenen leiden fast permanent in ihrem Leben an den Symptomen und sind durch die Krankheit beeinträchtigt. Entzündung, Juckreiz und Hautinfektionen enden leicht in einem Teufelskreis.

Christine Bangert, Neurodermitis-Spezialistin an der Universitäts-Hautklinik in Wien, erklärt: „Die Entzündungsprozesse beginnen schon früh. Durch die Schädigung der Hautbarriere-Funktion kommt es zum Eindringen von Keimen oder von Allergenen.“ Das aktiviert Zellen: Die darauf in die Haut einwandernden Entzündungszellen sorgen über Immunbotenstoffe für die Symptome.

Die Krankheit kann schon im ersten Lebensjahr beginnen. Bei ganz kleinen Kindern sind sehr oft der ganze Körper und das Gesicht betroffen. Bei den etwas größeren Kindern kann zwar noch die ganze Haut betroffen sein, allerdings finden sich die juckenden Stellen meist in Kniebeugen oder Ellenbogeninnenseite. "Es ist eine extrem juckende Erkrankung, die auch dazu führt, dass die Kinder nicht mehr schlafen können", sagt Hautspezialistin Beatrix Volc-Platzer.

So kann man Neurodermitis selbst behandeln 

Dabei ist die Behandlung laut der Expertin nicht so schwierig, wenn es sich ‒ wie meist ‒ um keine schwere Form der Neurodermitis handelt. Wenn Eltern wissen, was sie zu tun haben, kann man die Krankheit oft selbst unter Kontrolle bringen", so Volc-Platzer.  Bei milden Verläufen gelte es, die Haut einmal täglich einzuschmieren ‒ etwas mit Körpermilch oder einer Creme ohne Wirkstoff. "So wird die Hautbarriere in einem funktionsfähigen Zustand erhalten." 

Hilft all das nichts und zeigen auch weitere herkömmliche Methoden keine Wirkung, kann man mittlerweile auch die Immunantwort mithilfe von Biologika modellieren. "Monokulare Antikörper reduzieren Überreaktionen. Seit heuer sind sie auch für Kinder und Jugendliche zugelassen. Sie eignen sich ab sechs Jahren gut bei schweren Verläufen", so Volc-Platzer. 

Herkömmliche Methoden 

Oft kommt es schon bei milden Symptomen zur ersten Anwendung von cortisonhaltigen Salben. Bei anhaltendem schweren Erkrankungsbild waren bisher alte und stark immunsupprimierende Medikamente sowie UV-Bestrahlung häufig verwendete Mittel. Wegen potenzieller Nebenwirkungen sind diese aber mit Vorsicht anzuwenden.

Vor allem aus den molekularbiologischen Erkenntnissen der Immunologie stammen jetzt aber die neuen Therapiemöglichkeiten, die vergleichsweise gezielt in die Krankheitsprozesse eingreifen. Im März vergangenen Jahres wurde mit einer Crisaborol-Salbe ein neues antientzündliches Mittel von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA für Kinder und Erwachsene zugelassen. Zur Anwendung kommt die Salbe bei leichter bis moderater atopischer Dermatitis. Klinische Studien zeigten, dass Symptome früher und häufiger ganz oder fast ganz zum Verschwinden gebracht werden konnten.

Fast bis zur Symptomfreiheit 

Ein relativ neues Behandlungskonzept stellt der sogenannte „Dupilumab“ dar. Dabei handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper. Dieser hemmt den Rezeptor für den Entzündungs-fördernden Immunbotenstoff Interleukin-4-Rezeptor alpha und kommt bei moderater bis schwerer Neurodermitis zum Einsatz. Studien belegen große Erfolge: Nach 16 Wochen zeigte sich bei 37 Prozent der Behandelten ein Rückgang der Beschwerden fast bis zur Symptomfreiheit.  

Bei Patienten mit Neurodermitis findet sich oft auch der entzündungs-fördernde Immunbotenstoff Interleukin-13. Dagegen wirkt ein anderer monoklonaler Antikörper, der in absehbarer Zukunft zugelassen werden soll. Damit  kann offenbar bei mehr als 50 Prozent der Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis eine Reduktion der Hautsymptome um 75 Prozent erreicht werden. Bei 15 Prozent gelingt das sogar zu etwa 90 Prozent.

Die Dosierung ist gewichtsabhängig und wird alle 14 Tage gespritzt. "Man sieht ziemlich schnell eine deutliche Verminderung des Juckreizes und die Schlafqualität steigt schnell wieder an", sagt Hautspezialistin Volc-Platzer. Man darf die Therapie allerdings dennoch nicht zu früh wieder beenden. "Mit zwei oder drei Spritzen ist es nicht getan. Man muss die Therapie mehrere Monate durchführen und dann beurteilen." Unter Umständen ist diese auch über Jahre notwendig. Das hängt ganz von der Ausprägung ab. 

Hoffnungsschimmer 

Es gibt auch immer mehr wirksame Arzneimittel zum Schlucken. Im Oktober 2020 wurde der Wirkstoff Baricitinib in Europa für die Behandlung der atopischen Dermatitis zugelassen. Die Substanz hemmt die sogenannten Januskinase-Enzyme, die bei Entzündungen eine Rolle spielen. Die Wirkstoffe werden seit einiger Zeit mit großem Erfolg in der Therapie der rheumatischen Arthritis eingesetzt. Knapp ein Drittel der Probanden wird fast bzw. vollständig symptomfrei. Mit all diesen Wirkstoffen dürften in Zukunft viel mehr und viel gezielter wirkende Mittel zur Behandlung der Neurodermitis zur Verfügung stehen.

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