In sozialen Medien verbreiten sich "Morgellons“ wie ein Lauffeuer: Parasiten, die auf den Teststäbchen der Covid-19-Tests zu finden sind. In Videos gehen die kleinen Würmer sprichwörtlich viral: Unter Lupe oder Mikroskop werden auf den Tupfern der Teststäbchen dunkle Fäden sichtbar, die sich scheinbar bewegen.

Verständlich, dass diese Meldung viele Menschen verwirrt. Denn viele lassen oder testen sich selbst regelmäßig, nicht zuletzt auch Schulkinder. Hinzu kommt, dass Vieles, das mit dieser Coronavirus-Pandemie zu tun hat, eben nicht zum gängigen Allgemeinwissen zählt. Doch wie alles, haben auch soziale Medien zwei Seiten: Wo sich Verschwörungstheorien rasend schnell verbreiten, gibt es viele, die mit Fakten und verständlichen Erklärungen dagegen ankämpfen: die Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen Kim oder Molekularbiologe und Science Buster Martin Moder. Sylvia Kerschbaumer-Gruber macht dies auf ihrem Instagram-Account molecular.sylvia ebenso. Die Post-Doc an der MedUni Wien hat die sogenannten "Morgellons" einem Faktencheck unterzogen. 

Kleine Parasiten, "Morgellons" genannt

Viral hat sich die Botschaft zu den Morgellons via sozialer Medien verbreitet. Die Videos zeigen vergrößerte Aufnahmen der Abstrichstäbchen, auf dem Tupfer zu sehen sind schwarze Fäden, die sich allem Anschein nach alleine bewegen. "Unter dem Mikroskop ist ganz klar zu erkennen, dass es keine Parasiten sind", sagt Kerschbaumer-Gruber. Sie hat nicht nur die Teststäbchen eines Covid-Tests auf Parasitenbefall untersucht, auch eine Einwegmaske sowie eine FFP2-Maske kamen unters Mikroskop. 

Aber wenn es sich bei diesen dunklen, wurmartigen Gebilden nicht um Parasiten handelt, worum handelt es sich dann? "Es sind kleine Fäden oder Fasern, wahrscheinlich von der Kleidung jener Arbeiter, welche die  Masken bzw. Stäbchen verpacken.

Ähnlich bewertet dies auch der Faktencheck der Rechercheplattform Correctiv. Gemeinsam mit Mark Benecke, einem Sachverständigen für biologische Spuren, Forensiker, Kriminalbiologen und Youtuber, hat sich Correctiv die "Morgellons" genauer angesehen. Dass Fasern auf Tupfern bzw. Masken seien, sei nicht gefährlich für die Gesundheit. "Wir atmen den ganzen Tag Fasern ein. Der Schleim unserer Schleimhäute und die Härchen in der Lunge transportieren diese wieder ab", erklärt Benecke.

Die Sache mit dem Ethylenoxid

Tupfer sind steril verpackt, aber sie werden erst nach der Herstellung sterilisiert. "Die Umgebung, in der die Stäbchen hergestellt werden, muss weder staubfrei, noch fusselfrei, noch steril sein. Das ist überhaupt nicht notwendig", sagt Benecke. Sterilisiert werden die Teststäbchen etwa mit Ethylenoxid. Und hier kommt eine weitere Verschwörungstheorie ins Spiel: Jene, wonach die Tupfer mit Ethylenoxid getränkt seien, und dies sei krebserregend. "Wie die meisten Verschwörungstheorien, enthält auch diese ein Körnchen Wahrheit", sagt Kerschbaumer-Gruber.

Ethylenoxid ist als krebserregend eingestuft. Aber: Die Sterilisierung der Tupfer erfolgt in mehreren Schritten, an deren Ende kein Ethylenoxid mehr an den Tupfern zu finden sein sollte. Denn bei Ethylenoxid handelt es sich um ein flüchtiges Gas, das bei 10,7 Grad Celsius verdampft. Also spätestens, wenn es ausgeliefert wird. Die Teststäbchen können also ohne Bedenken verwendet werden.

Wieso sich die Fasern bewegen

Aber wieso bewegen sich die Fasern scheinbar von selbst? Dafür gibt es unterschiedliche Erklärungen: Der Luftzug ist eine, elektrostatische Aufladung, wie etwa, wenn wir Haare an einem Luftball reiben und diese uns dann zu Berge stehen, eine andere. 

Kerschbaumer-Gruber sagt im Interview mit der Kleinen Zeitung: "Wenn man diese Videos sieht, die Aufnahmen unter dem Mikroskop und sich nicht so gut auskennt in der Materie, ist es sehr leicht, zu glauben, dass es sich bei diesen beweglichen Teilchen um kleinste Lebewesen handelt." Und sie fügt hinzu: "Außerdem ist es mittlerweile so einfach, Videos zu manipulieren." Gerade Verschwörungstheoretiker würden viel Zeit und Aufwand in die Aufbereitung ihrer "alternativen Fakten" stecken. "Vieles ist professionell aufbereitet." Kerschbaumer-Gruber sieht es als Wissenschafterin als ihre Aufgabe an, mit belegten Fakten und Erklärungen dagegenzuhalten. 

Was sind "Morgellons"?

Aber kommen wir zurück zu den "Morgellons": Was ist das eigentlich genau? Morgellon steht normalerweise für eine Krankheitsbezeichnung. Es handelt sich um eine von Betroffenen selbstdiagnostizierte Krankheit, die bisher wissenschaftlich nicht anerkannt wurde. Die Betroffenen berichten dabei von aus der Haut wachsenden Fäden.

Die bisherige wissenschaftliche Bewertung als Einbildung oder Wahn stützt sich vor allem auf eine Studie der US-Behörde CDC aus dem Jahr 2012. Darin wurden mehrere Menschen untersucht, die ihr Leiden selbst als Morgellon diagnostizierten. Die Studienautoren analysierten damals die körperlichen, geistigen und sozialen Charakteristika der Studienteilnehmer. Sie kamen zu dem Schluss, dass es nicht genügend Hinweise gibt, um einschätzen zu können, ob es sich um eine neue Erkrankung handle oder um eine erweiterte Form einer Krankheit, die dem Phänomen bisher zugeschrieben wurden - wie etwa einem Dermatozoenwahn. Bei dieser wahnhaften Vorstellung bilden sich Patienten ein, Käfer, Würmer oder andere Lebewesen unter der Haut zu haben.

Auch der Parasitologe Herbert Auer von der MedUni Wien bestätigte auf Anfrage der Austria Presse Agentur, dass er in seiner Laufbahn immer wieder mit Patienten zu tun hatte, die fest überzeugt waren, an der Morgellon-Krankheit zu leiden. Wir haben alle Patienten, die zu uns kamen, parasitologisch, so gut wie möglich, "durchgecheckt", aber nie eine Parasiteninfektion nachweisen können", so Auer. Er sei wie viele seiner Fachkollegen der Meinung, dass es sich ausschließlich um eine Psychose handelt.

Das Fazit

Auf Masken bzw. Teststäbchen finden sich keine Parasiten bzw. "Morgellons". Zum einen ist die Existenz der Krankheit in der Wissenschaft stark umstritten. Zum anderen schließen Experten das Überleben möglicher Parasiten in einem Testkit aus. Es ist möglich, dass dunkle Fasern bei der Produktion oder Verpackung handelsüblicher Antigen-Schnelltests auf das Stäbchen kommen. Dies ist jedoch ungefährlich.

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