Die Corona-Pandemie hinterlässt auch massive Spuren an der Psyche der Bevölkerung: Daher stellte Gesundheitsminister Rudolf Anschober heute einen neuen Beraterstab vor, der die psychosozialen Folgen in den Mittelpunkt rückt. Neben dem virologischen und dem juristischen Beraterstab gibt es nun auch einen Rat aus Experten für die psychische Gesundheit.

Der Vorsitzende, Psychiater Michael Musalek erklärte, dass der Fokus zunächst auf Kinder und junge Erwachsene gelegt werde: "Diese Gruppe ist ganz besonders betroffen, vor allem die Lehrlinge und Studenten wurden bisher vergessen." Untersuchungen hätten gezeigt, dass die Altersgruppe der 15- bis 25-Jährigen besonders stark unter den psychischen und sozialen Nebenwirkungen der Pandemie leide. Aber auch auf die Gruppe der älteren Menschen, die ja stark durch Isolation und Einsamkeit betroffen sei, werde man die Aufmerksamkeit richten.

Aus Machtlosigkeit wird Aggression

Gesundheitspsychologin Barbara Juen, ebenfalls Teil des Beraterstabs, hat viel Erfahrungen mit Krisensituationen und erklärt, dass wir uns gerade in der sogenannten Desillusionierungsphase befinden: "Am Anfang der Pandemie herrschte zwar Angst, aber auch ein großes Gefühl des Zusammenhalts", sagt Juen. Das habe sich nun verändert: "Jetzt dominiert die Machtlosigkeit: Die Menschen sind frustriert, weil nix weiter geht. Das Ziel der erlösenden Impfung ist zwar nah, aber erfüllt sich für viele noch nicht. Der Zusammenhalt bröckelt und aus der Machtlosigkeit kann sich schnell Aggression entwickeln", erklärt die Psychologin. "Wir müssen den Team-Gedanken wiederfinden", unterstrich auch Minister Anschober.

Was kann Menschen in der Situation helfen? Verbundenheit zu nahen Bezugspersonen - "wir müssen aufhören von sozialer Distanz zu sprechen, was wir einhalten müssen, ist körperliche Distanz, aber soziale Kontakte sind jetzt sehr wichtig", sagt Juen. Das gelte vor allem für Kinder und junge Menschen, die Gleichaltrige jetzt besonders dringend brauchen. Auch Erholungsmöglichkeiten sind essenziell: Sei das der Gang in die Natur, Zeit im Freien, etc.

"Ermüdungserscheinungen"

"Die Pandemie bringt auch Beziehungskrisen mit sich", sagt Musalek: Das treffe nicht nur Paarbeziehungen, sondern auch Beziehungen zu Freunden oder Arbeitskollegen. "Je stärker wir überfordert sind, desto reizbarer werden wir - und das führt zu aggressiven Reaktionen und kann Gesellschaften auseinander brechen lassen", warnt Musalek.

Der Psychiater verglich die Pandemie mit einem Handballspiel: "Wir sind nun in der zweiten Hälfte, zehn Minuten zurück im Spiel. Die Erholung des Sommers ist lange vorbei, Ermüdungserscheinungen machen sich breit. Genau in diesem Zeitraum werden Spiele gewonnen oder verloren." Der Experte ist sich sicher: "Wir werden gewinnen."