Eines vorweg: Der Fall von Bernd Trabi steht einerseits für ein ganzes Bündel an Herzerkrankungen – andererseits dafür, was die Medizin heute leisten kann. Die entscheidende Operation, bei der Areale am Herzen verödet wurden, weil sie die lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen ausgelöst hatten, dauerte rund sieben Stunden. Ausgeführt hat sie ein Team des universitären Herzzentrums Graz mit dem gebürtigen Kärntner Daniel Scherr, einem Kardiologen am LKH-Universitätsklinikum Graz, spezialisiert auf komplexe Herzrhythmus-Eingriffe. Er sagt: „Eines will ich nicht lesen: nämlich, dass der Mediziner der Held ist – hier geht es um etwas anderes.“

Schnell reagieren

Kardiologe Daniel Scherr
Kardiologe Daniel Scherr © (c) Juergen Fuchs (FUCHS Juergen)

Sein Patient Bernd Trabi stehe nicht nur wegen des komplexen Krankheitsverlaufs für etwas Besonderes. „Er würde nicht bei uns sitzen, wenn Menschen nicht reagiert hätten. Der beste Herzmediziner der Welt hätte ihm nicht helfen können, wenn ein Passant an ihm nicht eine Herzmassage durchgeführt hätte. Es geht um Minuten, schnelle Erste Hilfe, Herzdruckmassage, Beatmung, halb automatische Defibrillatoren einsetzen, die Rettung verständigen, keine Angst haben. Wenn jemand zusammenbricht, kann man viel richtig machen, aber nichts falsch“, so ScherrDer Kardiologe geht strukturiert an Herzprobleme heran: „Es gibt Menschen, die spüren, dass ein Herzproblem auf sie zukommt. Belastungseinschränkungen, Atemnot, Druckgefühl im Brustbereich, Ohnmachtsanfälle, Warnsymptome, dass etwas nicht stimmt – das muss man auch in Covid-Zeiten berücksichtigen.“ Denn man wisse heute: „Die Zahl der Krankenhausaufnahmen für Herzinfarktpatienten ist im ersten Lockdown gesunken, aber die Leute mit Herzproblemen sind ja nicht verschwunden. Zugleich waren jene, die ins Krankenhaus kamen, schwerer krank. Das müsste nicht sein: Österreich verfügt über ein exzellentes Notfallsystem und Netzwerk für Herzkatheter-Eingriffe.“

Was ist verantwortlich?

Scherrs zentrale Frage: „Wa­rum ist es passiert? Ein Herz-Kreislauf-Stillstand wird oft verursacht durch eine koronare Herzerkrankung. Diese Gefäßerkrankung ist für zwei Drittel der Fälle verantwortlich. Als zweithäufigste Ursache gilt die Herzmuskelschwäche. Was steckt dahinter und wie kann ich das vermeiden?“ Scherr gibt selbst die Antwort: Rehabilitation, Bewegung, Blutdruck beachten, Diabetes einstellen – das gelte gleich wie vor 20 Jahren.Aber was kann man tun, wenn es einen „erwischt“? „Ich habe in meiner Laufbahn 100 ähnliche Fälle wie Bernd Trabi kennengelernt. Da sind berührendste Schicksale dabei, vom 14-jährigen Mädchen bis zum alten Mann. Es geht einerseits darum, wie Menschen ihr Schicksal meistern. Etwa mithilfe von Rehabilitation oder Patientenorganisationen wie dem Herzverband.“ Dort werde man nicht stigmatisiert, sondern man könne sich „tabulos“ austauschen.

Auch für die Psyche ein Schock

Und dann sei die Medizin an der Reihe, mit mehreren Optionen: Wenn zum Beispiel nicht gleich ein Defibrillator implantiert werden kann, dann sei unter Umständen eine sogenannte Schockweste zur Überbrückung ein Thema. „Wenn Herzrhythmusstörungen das Leben beenden können, dann sind Defi und Schockweste eine segensreiche Therapie, weil sie unmittelbar darauf reagieren und das Herz wieder in den richtigen Takt bringen. Auch wenn das bei schweren Anfällen schmerzhaft sein kann.“ Der Schock, der Impuls, den der Defi auslöst, rettet. Aber das sei auch ein Schock für die Psyche des Menschen, analysiert Scherr. Nächster Schritt, wie bei seinem Patienten Trabi: Ein Herzkatheter-Eingriff, dann verödet man mit Hitze und Strom jene Areale, wo Rhythmusstörungen ausgelöst werden. „Nicht immer komplikationsfrei, aber es hilft vielen.“„Es gibt viele Herzerkrankungen, ich spreche zwei näher an“, führt Scherr weiter aus. „Erstens das Vorhofflimmern, das ist eine echte Volkskrankheit. Nach dem 50. Lebensjahr bekommt jeder Dritte diese Erkrankung. Das Herz kommt aus dem Takt.“ Scherr ortet zwei Probleme: Bei zwei Dritteln der Patienten bedeute es eine massive Verringerung der Lebensqualität. „Wir reden außerdem von einer zwei- bis dreifach erhöhten Sterblichkeitsrate. Weil das Herz unregelmäßig schlägt, hat man auch eine höhere Schlaganfall-Gefahr. Diese Herzrhythmusstörung ist für ein Viertel aller Schlaganfälle verantwortlich. Auch ist die Erkrankung ein Grund für Depressionen.“

Gewicht reduzieren

Scherr erklärt, es könne jeden treffen. Übergewicht sei ein Krankheitstreiber. Die gute Nachricht für alle: Man kann durch Gewichtsabnahme die Situation klar verbessern. Wichtig, außerdem: die klare Diagnose, Blutver­dünnungsmedikamente nehmen (man verringert so das Schlaganfallrisiko um mehr als die Hälfte), Risikofaktoren beachten, realistische Ziele etwa bei der Gewichtsabnahme setzen.

Schwierig sei, dass Herzrhythmusstörungen auch bei Medikamenteneinnahme zurückkommen können. Dann sei eben ein Herzkatheter-Eingriff an der Reihe, bei der Regionen verödet werden, die die Rhythmusstörungen verursachen. Scherr: „Wir können so 60 bis 80 Prozent von den Rhythmusstörungen befreien.“ Wichtig sei immer, Veränderungen und Symptome abzuklären. Auch wenn prinzipiell kein Symptom gleich ein Beweis für eine spezifische Erkrankung sein müsse.

Unterschiede bei Mann und Frau

Bei einem Herzinfarkt geht es um Minuten: schnelle Erste Hilfe, Herzdruckmassage, Beatmung, halb automatische Defibrillatoren einsetzen, die Rettung verständigen, keine Angst haben.
Bei einem Herzinfarkt geht es um Minuten: schnelle Erste Hilfe, Herzdruckmassage, Beatmung, halb automatische Defibrillatoren einsetzen, die Rettung verständigen, keine Angst haben. © (c) Weichselbraun Helmuth

Wichtig seien geschlechterspezifische Unterschiede, et­wa beim Herzinfarkt: Männer, eher klassisch mit Beschwerden im linken Arm und im Brustbereich. Bei Frauen kündigt sich ein Herzinfarkt eher über Schmerzen im Oberbauch oder im Schulterbereich an.Einem anderen Symptom schenkt Scherr besondere Beachtung: dem „stolpernden“/„rasenden“ Herzen. Eine Abklärung sei etwa durch ein 24-Stunden-EKG möglich.
Mit dem Vorhofflimmern ist die Herzschwäche eine der häufigsten Herzerkrankungen. Als Folgewirkung von etwa Herzinfarkt oder Herzmuskelentzündung: Das Herz ist in der Pumpleistung geschwächt. Aufgrund schwächerer Pump­leistung gibt der Motor Herz nicht so viel her, man hat Atemprobleme, kämpft mit Flüssigkeitseinlagerungen.

Beschwerden verringern

"Hand aufs Herz": Unter diesem Titel erscheint das Magazin der Kleinen Zeitung, das sich dem Thema Herzgesundheit aus vielen Blickwinkeln nähert.

Auch hier kenne man neue Ansätze und Medikamente. Überlebensrate und die Chance auf Wiederherstellung seien heute so hoch, wie man es vor Jahren nicht für möglich gehalten hätte. Zusätzlich implementiere man Geräte wie Schrittmacher und Defibrillatoren, die das aus dem Takt gekommene Herz wieder ruhig und ökonomisch schlagen lassen. Das Ziel laut Scherr: beschwerdefrei zu leben und die Mortalitätsrate zu senken. Die dritte Volkskrankheit sind Herzklappenerkrankungen, auch hier sehe man gute Therapien und Erfolge. Die Zusammenarbeit zwischen Kardiologie, Herzchirurgie und Anästhesie wie am Herzzen­trum Graz sei hier extrem wichtig.
Hannes Alber, Abteilungsvorstand für Innere Medizin und Kardiologie am Klinikum Klagenfurt, ortet bei Herzerkrankungen in mehreren Bereichen Handlungsbedarf: Bei der Herzinsuffizienz sei das Schnittstellenmanagement entscheidend – also dass alle helfenden Stellen ineinandergreifen. Außerdem seien immer mehr jüngere Menschen von einem Herzinfarkt betroffen, oft eine Folge des ungesunden Lebensstils. In dem Rahmen müsse man auch wieder, so Alber, die Rolle des Cholesterins schärfer ausleuchten: „Mein Lebensstil entscheidet, wann ich eine Erkrankung der Herzkranzgefäße bekomme.“ Der LDL-Wert sei für die Herzkranzgefäße besonders gefährlich, das sei „ein wesentlicher Treiber“.

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Auch gebe es Fälle, in denen Menschen, die gesund leben, hohe LDL-Cholesterinwerte hätten – hier müsse man zum Beispiel alle Familienmitglieder ab einem gewissen Alter „beobachten“, ob das auch auf sie zutreffe. Entscheidend sei immer die Bewegung, selbst „Couchpotatoes“, die sich nur zweimal die Woche bewegen, erzielen einen erstaunlichen Effekt, so Alber. Und, wichtig für Männer: Impotenz kann ein Vorbote für ein Herzproblem sein. Das müsse man ebenso abklären.