Die Familienrechtsspezialisten Clemens Gärner und Susanna Perl-Böck haben in ihrer Wiener Rechtsanwaltskanzlei alleine 2018 mehr als 100 Scheidungen begleitet.

„Wir schätzen, dass Ehebruch bei etwa 80 Prozent unserer Fälle das große Thema ist. Für etwas, das so häufig vorkommt, herrscht ein erstaunliches Unwissen darüber, ab wann das eigene Verhalten ein rechtliches Nachspiel haben kann“, sagt Gärner. Es müsse zum Beispiel nicht zwangsläufig zu Sex kommen – „auch der intensive Kontakt zu einer anderen Person als dem eigenen Ehepartner gilt als schwere Eheverfehlung, sofern er für diesen als ehestörend wahrgenommen wird.

Das sei zwar nicht strafbar, ist aber ein Grund für die Einleitung einer schuldhaften Scheidung und hat damit auch Auswirkungen auf die Unterhaltszahlungen.

„Es ist ein Irrglaube, dass es die Verschuldensscheidung nicht mehr gibt“, ergänzt Susanna Perl-Böck. Tatsächlich gelte die Treuepflicht in der Ehe bis zum rechtskräftigen Abschluss des Scheidungsverfahrens. „Selbst bei anhängigem Scheidungsverfahren habe ich noch immer die Treuepflicht.“ Wenn der Ehebruch zu einem Zeitpunkt begangen wird, zu dem die Ehe schon tief und unheilbar zerrüttet ist, werde der Ehebruch freilich eine weniger bedeutende Rolle spielen. „Früher war Ehebruch ein absoluter Scheidungsgrund - „man ging fremd und das war schon ein ausreichender Grund für eine Scheidung“. Jetzt sei der Ehebruch nur mehr dann ein Scheidungsgrund, wenn er beim Partner eine so tiefe Verletzung und Kränkung hervorruft, dass dieser sagt, er könne deshalb nicht mehr an der Ehe festhalten.

Ein Dritter gehört dazu

Grundsätzlich sagt Perl-Böck: „Mein Credo lautet: ,Zu einer Beziehung gehören zwei und zu einer Trennung drei Personen. Wenn einer der Partner die Erwartungen des anderen nicht erfüllen kann und man sich entfremdet hat, dann trifft man meistens jemanden, bei dem man die Zärtlichkeit und Intimität wieder bekommt. Das ist dann quasi der Auslöser oder Anstoß, aus einer Beziehung zu gehen, in der man sowieso schon unglücklich war“, erzählt die Juristin von ihren Erfahrungen mit Scheidungskandidaten.

Handy, E-Mails und Facebook

„Wesentlich verändert hat sich in den vergangenen Jahren die Bedeutung von digitaler Kommunikation in Scheidungsverfahren“, sagt Gärner. „WhatsApp- oder SMS werden immer mehr Ehebrüchigen zum Verhängnis.“ Die meisten Affären kämen durch Sorglosigkeit ans Licht. „Handys werden unversperrt liegen gelassen oder der Ehepartner kennt den Zugangscode. Hinzu kommt, dass Screenshots oder Fotoaufnahmen mit dem Handy, selbst Videoaufzeichnungen, nicht nur ein praktisches, sondern auch beliebtes Mittel geworden sind, um bei Gericht seinen Standpunkt zu beweisen“, schildert der Rechtsanwalt den Alltag. Besonders unangenehm sei es für den betrügenden Ehegatten, wenn dank WhatsApp, Facebook & Co auch noch der Name der Affäre offen liegt und diese als Zeuge oder Zeugin geladen wird. „Als Zeuge vor Gericht lügen ist keine gute Idee. Bei Falschaussage droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.“

Illegal oder nicht?

„In den allerwenigsten Fällen beschaffen sich die Betrogenen ihre Beweise auf illegalem Weg“, fügt Perl-Böck hinzu. „Wenn ich eine Sperreinrichtung am Computer oder Handy umgehe, wäre dies allenfalls ein strafrechtlicher Tatbestand. In Scheidungsverfahren lasse sich das Material im Beweisnotstand aber trotzdem vorlegen, „wenngleich wir sehr vorsichtig damit umgehen“, sagt die Juristin. Aber in den meisten Fällen seien Handys, Laptops & Co. tatsächlich gar nicht gesichert. „Die Leute sind da erstaunlich sorglos, haben eventuell noch groß den Geburtstag ihres Geliebten oder der Geliebten im digitalen Kalender eingetragen“, sagt die Expertin und fügt hinzu: Handy und Facebook sind bei Affären tödlich: Da sieht jeder, wer mit wem befreundet ist, samt Bildern dazu.“

Wird es unappetitlicher?

Hochstrittige Scheidungsverfahren sind für Anwälte zum Glück nicht alltäglich. „Die meisten scheuen doch, das Schmutzige-Wäsche-Waschen in der Öffentlichkeit“, sagt Perl-Böck. Massiv zugenommen haben ihrer Wahrnehmung nach aber Streitereien um Kinder: „Kontaktrechtsverfahren werden mit größerer Vehemenz geführt. Das war früher nicht so.“ Zugenommen hat, wie Gärner ergänzt, auch die Häufigkeit der Streitigkeiten rund um Immobilien: „Aufgrund von Erbschaften ist mehr Liegenschaftsbesitz im Spiel, als noch vor einigen Jahren. Diese werfen als Scheidungsgut komplexere Fragen auf, zum Beispiel, wie die Wertsteigerung der Immobilie nach einer gemeinsamen Dachbodensanierung gehandhabt wird.“