Warum spielt Arbeitskleidung im Berufsleben so eine wichtige Rolle?

FRANZ HÖLLINGER: Hier geht es vor allem um Uniformen. Sie haben in allen Gesellschaften drei Funktionen: Gruppenbildung, Abgrenzung und Persönlichkeitsbildung. Bei der Gruppenbildung geht es darum, dass eine bestimmte Art von Kleidung eine Gemeinsamkeit unter jenen herstellt, die einer Berufsgruppe angehören. Sei es bei Polizisten, Berg- oder Fabrikarbeitern, die Uniform erzeugt ein Gemeinschaftsgefühl. Eine zweite Funktion ist, sich abzugrenzen, und das auch nach außen hin zu signalisieren. Das zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten: von Militär bis hin zu Gefängnisinsassen. Aber auch die Persönlichkeit selbst wird in der Uniform in eine bestimmte Richtung geprägt. Es gibt in der Soziologie den Begriff des „Habitus“ von Pierre Bourdieu. Er bedeutet: Wenn ich mir diese Art der Kleidung überziehe, signalisiere ich nicht nur nach außen, sondern auch nach innen, dass ich eine ganz bestimmte Haltung einübe.

Wo liegt der Unterschied zwischen Uniform und Dresscode?

Bankbeamte zum Beispiel, sie haben alle einen Dresscode. Da trägt niemand eine zerrissene Jeans. Verschiedene Berufsgruppen haben ihre Dresscodes, um damit auch eine bestimmte Haltung zu verinnerlichen.

Warum kann man sich mit Arbeitskleidung auch einen sozialen Status überziehen?

Es haben ja nicht nur gehobene Berufsgruppen Uniformen, sondern andere Berufe wie Raumpfleger oder Verkäufer im Supermarkt. Die Uniform steht auch immer in Verbindung mit der Erwartung bestimmter Verhaltensweisen. Ein Polizist hat zum Beispiel automatisch durch seine Uniform einen Respektvorsprung. In der Straßenbahn sind sie nun aber dazu übergegangen, dass Kontrollore ganz normale Kleidung tragen. Mich wundert, dass das trotzdem funktioniert. Dann gibt es aber auch Berufsgruppen, die diese Art von Uniformen ablehnen. Jazzmusiker würden nie wie in der Volksmusikgruppe alle gemeinsam in Tracht auftreten. Hier wird Individualismus betont, Individualismus ist hier der Dresscode. Das steckt alles im Begriff des Habitus drinnen: Das Verhalten und Denken bilden eine Einheit.

Würden Ärzte oder Polizisten ohne Kittel oder Uniform weniger ernst genommen?

Ich glaube, dass es wirklich eine Frage der Gewohnheit ist. Man nehme wieder die Straßenbahnkontrollore als Beispiel. In diesem Fall hat das Fehlen der Uniform eine klare Funktion. Man soll sie nicht schon aus der Ferne erkennen. Wie man sieht, funktioniert das aber auch. Anscheinend reicht das Wissen aus, dass die Staatsmacht dahinter funktioniert. Und so könnte es auch beim Polizisten sein. Also, dass die Kontrollinstanz in einem selbst schon so stark ist und das Wissen, dass man keine Chance hat. Aber es spricht schon vieles dafür, die Signalwirkung aufrechtzuerhalten.

Wie entstehen Ausdrücke wie „Götter in Weiß“ oder „Kapplständer“?

Das hat nicht viel mit Uniformen zu tun, aber Österreich gehört zu jenen Ländern, in denen Berufshierarchien und damit verbundene Privilegien deutlich stärker nach außen hervorgekehrt werden: der „Herr Hofrat“, der „Herr Doktor“. Und durch diese Titel entsteht eine Status-Gesellschaft. „Götter in Weiß“ hat nun weniger mit der Uniform zu tun, sondern eher mit diesem hohen Status, den man Ärzten beimisst. Sie haben ja auch eine wichtige Funktion. Gesundheit ist ein wichtiges Gut und von daher haben sie als Berufsgruppe ein sehr hohes soziales Prestige. Umgekehrt ist es mit dem Prestige des Polizisten. Weil man sie eben auch als unangenehme Kontrollinstanz wahrnimmt.

In Businesskreisen sind kurze Ärmel absolut verpönt. Warum?

Weil die den ganzen Körper bedeckende Kleidung einfach Seriosität vermittelt.