Wie ist das Künstlerhaus durch das Coronajahr gekommen?
SANDRO DROSCHL: Uns ist es gegangen, wie allen anderen auch. Im März 2020 mussten wir binnen Stunden alles dichtmachen. Wir haben schon nach einigen Wochen die Zusage für die Kurzarbeit bekommen, das war entscheidend am Anfang. Es gab auch schnell Signale vom Land, Bund und Stadt Graz, dass die finanziellen Zuwendungen bleiben, auch wenn der Betrieb im herkömmlichen Sinn nicht mehr möglich war.

Wie beschäftigt man sich?
Im ersten Lockdown haben wir Ausstellungskataloge fertiggemacht, einen zu Ashley Hans Scheirl und einen zu Sonja Gangl. Wir hatten mehr Zeit für Dinge, die oft nebenher laufen müssen, aber aufwendig sind. Natürlich war der Organisationsaufwand durch die Verschiebungen und Schließungen enorm.

Ist die bauliche und inhaltliche Umgestaltung des Künstlerhaus von Corona beschleunigt worden?
Corona hat uns dazu gebracht, über unsere Institution als solches nachzudenken. Wir hatten seit Jahren den Wunsch, uns zu verändern, letztlich hin zu einer klassischen Kunsthalle. Wir haben es in Zusammenarbeit mit dem Land Steiermark hinbekommen, diese Transformation vom Künstlerhaus zur Halle für Kunst Steiermark zu vollziehen. Das endgültige Go kam im August, dann ging es an die Umsetzung.

Man hört oft, dass Corona uns dazu bringe, nocheinmal über Dinge und Gewohnheiten nachzudenken, hier war es also genau so.
Die Neuaufstellung hatte einen Vorlauf von zwei Jahren, aber durch Corona wurde es noch klarer, dass es notwendig ist, institutionelle Arbeit als solche immer wieder zu hinterfragen. Was heißt es, einen Kunstbetrieb zu führen? In welche Richtung wollen wir gehen, was können wir dem Publikum bieten? Wir bleiben wir aktuell und attraktiv? In dieser Rückgutssituationen und der Verlangsamung haben sich uns diese Fragen immer deutlicher gestellt.

Was ist das Ergebnis dieser Überlegungen?
Es geht um eine Vertiefung der internationalen Ausrichtung, bzw. darum, die Programmatik auf internationale Aktualität auszurichten. Wir wollen nicht nur beobachten, was sich international in der Kunstproduktion tut, sondern welche Fragen aktuell relevant sind. Gleichzeitig müssen die Stärken des Lokalen einfließen. Das Internationale ist nur dann relevant, wenn es ein Lokales gibt.

Und welche Fragen sind das?
Wir haben jetzt die Themen Europa, Black Lives Matter die Privatheit herausgegriffen. Drei Beispiele, die zeigen, dass wir uns von der Präsentation von Künstlerpersönlichkeiten lösen wollen. Es geht um ein multiperspektivisches Bild und den Versuch, aus Graz heraus eine kosmopolitische Haltung zu signalisieren. Das ist wichtig, weil der Nationalismus und Partikularismus grassiert. Diese führen zu absurden und realen Verteilungskämpfen – etwa um Impfdosen. Wir müssen uns nur die Verteilung in Europa anschauen und damit vergleichen, dass in Sierra Leone noch keine einzige Impfdosis angekommen ist. Diese Haltung der partikularen Egoismen wird auf uns zurückfallen. Wir brauchen ein neues Miteinander, Corona bietet die Chance, das zu erkennen.

Der internationale Kunstbetrieb lebt ja von einer Vernetzung, und ist sehr schnelllebig, manche meinen, er sei überhitzt. Wird Corona das korrigieren?
Die Frage stellt sich für viele Felder, der Kunstbetrieb ist keine Ausnahme. Der Kunstbetrieb ist ein ökonomischer Bereich wie andere auch. Es wäre naiv zu hoffen, dass sich das ändert. Es kracht natürlich auf der ökonomischen Seite. Wichtige Galerien schließen weltweit, der Mittelstand des Betriebs ist in der Krise. Das wird Folgen haben, weil gerade die mittelständischen Galerien der primäre Motor des Kunstbetriebs sind. Dort werden Künstlerinnen und Künstler unterstützt und aufgebaut, und auch durch Krisen getragen. Man muss dem Galerie-System Respekt zollen, diese Sphäre ist wichtig für die Kunstinstitutionen. Ich halte nichts davon, dass wir den Betrieb in den „bösen Markt“ und die „guten Institutionen“ aufteilen. Dazwischen gibt es einfach viel zu viele Verbindungen und Korrelationen. Es wäre notwendig, einen ubiquitären Blick zu haben.

Wie sehen Sie das Digitale in der Kunst?
Ich habe schon 2002/03 mit dem Kunstverein Medienturm an einem journalhaften Modus für die Präsentation von Medienkunst gearbeitet. Aber ich finde - bei aller Euphorie braucht es eine notwendige Skepsis. Dinge funktionieren digital unterschiedlich gut – das Bashing auf Malerei und Skulptur vonseiten von New Media damals war sehr problematisch. Das hatte fast neoliberale Formen, wie darüber gesprochen wurde, was sich wie am Markt durchsetzen wird. Aber das war eh ein Irrglaube. Heute muss man sich sehr genau überlegen, welche digitalen Repräsentanzen von analoger Kunst man ins Netz stellt. In der Halle für Kunst wollen wir 3-D-Walkthroughs anbieten und auch ein Videoangebot wird aufgebaut.

Wird sich auch die Gesellschaft durch Corona verändern?
Es ist ein solch starkes Ereignis, das wird Folgen haben. Und wir haben ja nicht nur Corona, wir haben den Klimawandel, wir haben Cancel Culture und die Debatte um Identität und Differenz, die Debatte um Migration. Die Kunst hat das Potenzial, die Dinge anzusprechen, ihnen Bilder zu geben, eine Form zu geben. Diese Qualität wird sie künftig stärker zeigen.