Über 75 Jahre zu leben und noch nie einen Krieg erlebt zu haben? Das ist hierzulande das Normalste der Welt. Ein unvorstellbarer Luxus, denn auch in der Welt des 21. Jahrhunderts sind kriegerische Auseinandersetzung an der Tagesordnung. Und selbst in Friedenszeiten ist der Krieg allgegenwärtig, in unserer Sprache: etwas im Schilde führen, etwas von der Pike auf lernen, in die Bresche springen, sich aus dem Staub machen ... Worte des Krieges, auf eine blutrote Wand geschrieben, sie sind ein guter Einstieg in die Ausstellung „Der große Tod“ in der Alten Galerie Graz, die mit über 70 Druckgrafiken das Thema behandelt – „Szenen des Krieges“ aus der frühen Neuzeit (rund 1450 bis 1650).

Der Krieg ist in unserer Sprache allseits präsent
Der Krieg ist in unserer Sprache allseits präsent © Susanne Rakowitz

Jahrhunderte sind seither vergangen, und doch gibt es zwischen dem knöchernen Tod, der mit seinen Schergen über das Schlachtfeld reitet, und den modernen Kriegen der Jetztzeit erstaunlich viele Parallelen. Die wohl wichtigste Erkenntnis: Krieg wurde und wird nicht per Zufall geführt. Er wird generalstabsmäßig geplant und ausgeführt. Und wer Krieg führt, ist dafür auch ausgebildet. Nicht nur Maximilian I. hat in seiner Biografie „Weißkunig“ minutiös die Kampfausbildung eines Adeligen geschildert. Fast kindlich mutet der zugehörige Holzschnitt von Hans Burgkmair in der Ausstellung an. Wie überhaupt Künstler eine spannende Rolle darin gespielt haben, welchen Platz ihre Auftraggeber in Geschichtsbüchern einnehmen: „Das, was man sieht, sind immer die Siegreichen der Schlacht“, sagt Karin Leitner-Ruhe, die mit Christine Rabensteiner die Schau im Schloss Eggenberg kuratiert hat.

Ausstellungsansicht: Georg Matthäus Vischer, Karte der Steiermark als Kopf des Kriegsgottes Mars, 1681
Ausstellungsansicht: Georg Matthäus Vischer, Karte der Steiermark als Kopf des Kriegsgottes Mars, 1681 © (c) Universalmuseum Joanneum

Beauftragte Künstler wurden nach dem Gefecht auf das Schlachtfeld geführt, es wurden Skizzen gefertigt und im Atelier vervollständigt. Und wie die Ausstellung zeigt, boten eigene Bücher sogar Vorlagen etwa für Soldatenfiguren. Manche betätigten sich jedoch auch abseits der Siegerlobhudelei, wie Stefano della Bella, der den „großen Tod“ über das Schlachtfeld reiten ließ – zumindest er ist im Krieg immer siegreich.
Blätter wie diese ließen sich leicht vervielfältigen und wurden gerne gekauft.

Dramatische Einblicke gibt die Ausstellung in das, was fern des Siegestaumels passiert. „Das Geschehen abseits des Schlachtfeldes zu finden, war gar nicht so einfach“, erklärt Leitner-Ruhe. Fündig wurde man trotzdem, bei den großen Heeren, die mit Kind und Kegel von Schlacht zu Schlacht zogen. Eine Maschine, die alle mitzog und viele überrollte: „Dieser Punkt hat uns sehr betroffen gemacht“, sagt die Kuratorin. „Es gibt Frauen, die haben im Lager ihre Kinder zur Welt gebracht.“ Bis zum 18. Jahrhundert wurde in diesen Lagern geboren, gelebt, geheiratet, gestorben. Nicht selten traf es die Schwächsten wie Frauen und Kinder zuerst – auch dort, wo Kriegstrosse durchmarschierten. Plünderungen, Einziehung von Lebensmittel für die Soldaten, Seuchen. Dokumentiert in eindrucksvollen Stichen von Jacques Callot aus dem 17. Jahrhundert: „Die großen Schrecken des Krieges“ heißt die Serie. Gelernt hat man bis heute nichts daraus.