Heiße Maroni, Herbst- oder Winternächte, vielleicht ein Glas Sturm dazu. Bei wem jetzt Gefühle erholsamer Entspannung aufkommen, der kann diese getrost wieder vergessen. Entspannung ist in der Netflix-Serienadaption des Bestsellers von Søren Sveistrup nicht vorgesehen: Mit diesem „Kastanienmann“ ist nicht gut Maroni essen – Kirschen vermutlich auch nicht.

Die erste Szene von „Der Kastanienmann“ spielt in Dänemark im Jahr 1987: Ein Dorfpolizist trifft auf einem heruntergekommenen Bauernhof ein. Als er das Haus betritt – den Zuschauern schwant Übles – findet er mehrere Leichen, zwei überlebende Kinder und unzählige kleine Figuren aus Kastanien und kleinen Ästen. Augenblicke später ist die Geschichte des Beamten auch schon wieder vorüber.

Knapp 35 Jahre später geschehen in Dänemark erneut Morde und auch diesmal tauchen die Kastanienfigürchen auf. Ermitteln sollen zwei Menschen, die keine Lust darauf haben: Naia Thulin (Danica Curcic) hat ihrem Chef gerade erst gestanden, die Abteilung wechseln zu wollen, mit Mark Hess (Mikkel Boe Følsgaard) bekommt sie einen neuen Partner zugewiesen, der am Abstellgleis von Europol gestrandet ist.

Dieser Unwille ist eine durchaus reizvolle Ausgangssituation für einen Thriller, der von Anfang bis Ende fesselt und überrascht, ohne die Logik zu betrügen. Mehrere Flanken werden aufgemacht: Sozialministerin Rosa Hartung (Iben Dorner) muss den Verlust ihrer Tochter aushalten, die vor einem Jahr entführt wurde. Naia muss auf die harte Tour erkennen, dass sich Job und Familie nicht immer vereinbaren lassen. Und der abgelenkte Hess gefällt sich darin, ein wenig hilfreiches Mysterium zu bleiben.

Die Romanverfilmung breitet den Fall auf sechs Folgen aus, ohne ihn auszuwalzen. Die Geschichte mäandert vor sich hin, während sie immer tiefer in den mysteriösen Fall eintaucht. Plumpe Cliffhanger sind dafür nicht notwendig, auch weil die Verstrickung aus politischem Kalkül und Privatleben, aus skandinavischem Thriller und klassischem Whodunit-Krimi mit jeder Folge an Dynamik gewinnt. Einzige unerwünschte Nebenwirkung: Wer Kastanienfiguren bisher süß fand, könnte nach dieser Serie womöglich anders darüber denken.