Vom Rapper zum Singer-Songwriter zum waschechten Popmusiker: Clueso hat einen ziemlichen Wandel hingelegt. Mit seiner simpel "Album" betitelten neuen Platte geht der deutsche Sänger auf Publikumsfang, schaut er sich doch massiv im trendigen Hip-Hop- und Popsektor um. Was ihn daran reizt und weshalb es dafür auch einen neuen Umgang mit Sprache braucht, verriet der 41-Jährige im Interview mit der Austria Presse Agentur.

Ihr neues Album versammelt viele verschiedene Sounds. War die Abwechslung ein Ziel?
Clueso: Ja, es sind eher verschiedene Bilder, die ich wie ein Mixtape angeordnet habe. Ich war dafür auch bei sehr vielen verschiedenen Produzenten. So kann man als Künstler besser ein Profil von sich erstellen. Hier fängt es in der Wärme an, hat 'ne Energie, und zieht sich dann in das Introvertierte und fährt am Ende nach Hause mit "Heimatstadt" und "Leider Berlin", bis es in der Freundschaft ankommt.

Was hat Sie zum musikalischen Neuanfang bewogen?
Clueso: Hätte ich so weiter gemacht wie bisher, wäre es auch wieder so ein Album geworden. Das hätte mich sehr gelangweilt. Stattdessen habe ich mich gefragt, was es an neuen Möglichkeiten gibt. Also bin ich zu modernen Produzenten gegangen und hab' geschaut, ob Autotune bei mir auch hängen bleibt. Ich hätte ja nie gedacht, dass mir ein Justin-Bieber-Album gefällt, aber das neue ist geil! Die Vorgabe für die Produzenten war: Versucht mal was Neues! Ich habe dann Sachen ausgewählt, die untypisch sind.

Was auffällt: Auch Ihre Wortwahl ist eine andere. Waren Ihre Songs früher sehr erzählerisch, geht es nun knapper zur Sache...
Clueso: Es ist weniger ein "Chicago" mit einer Figur, die da durchläuft, sondern eher wie in "Aber ohne dich": "Frühstück sinnlos, Vögel stimmlos." Ich finde es einfach geil, wenn Leute wie Trettmann so eine elliptische Schreibweise haben. Da werden Sachen einfach nur angerissen, aber das Bild geht nicht kaputt. Bei den Alben davor waren mir die Geschichten wichtiger.

Rapmusik funktioniert heute sicher auch anders als früher, oder?
Clueso: Klar, die Farbe ist anders. Ich hatte früher immer Angst vor Pathos. Aufgrund dessen, dass ich eine Geschichte erzählen wollte, haben die Melodien auch manchmal gelitten. Jetzt bin ich vielfach nur über Hooks gegangen. Da versuchte ich dann, den Text reinzukriegen. Heutzutage besteht ja ein Lied eigentlich aus vier Refrains. Das fand ich sauinteressant.

Fanden Sie schnell Vertrauen zu den Leuten, mit denen Sie diesmal gearbeitet haben?
Clueso: Ja. Ich habe eine sehr hohe Toleranzgrenze, was Artists angeht - so lange ich die portioniert genießen kann. (lacht) Die können und sollen auch crazy sein, in einem gewissen Rahmen. Da habe ich gar keine Probleme. Wenn jemand introvertiert ist, dann weiß ich mir schon zu helfen, fange erst mal an mit meinem Shit und hol' den dann ab. Oder wenn jemand ein großes Ego hat, dann nehm' ich mich mal zurück. Das ist ganz unterschiedlich.

Sie haben schon im Vorjahr erste Singles zum Album veröffentlicht. Wieso diese lange Vorlaufzeit?
Clueso: Ich hab' das mit Ansage gemacht. Wir haben uns in großer Runde mit meinem Label getroffen und ich meinte: Ich würde gerne die Streamingzahlen verdoppeln, würde gerne verschiedene Sachen machen und mich ausprobieren. Einfach mal schnuppern, nicht alles verhindern. Da habe ich gar keinen Bock drauf. Es war durch die Pandemie dann letztlich auch ein befreites Arbeiten, weil wir nicht auf Tour mussten. Wir hatten gar keinen Druck, sondern waren einfach froh, dass wir einen Test in der Nase hatten und uns umarmen konnten, wenn wir was geil fanden. (lacht) Die Option des Nichtmüssens hat uns so entspannt. Das hat total Spaß gemacht. Wie Kinder im Hort, wenn sie wissen, dass die Eltern noch nicht kommen. Da wird dann einfach ein großer Turm gebaut.

 Ist das Ziel von "Album", Ihre Hörerschaft zu erweitern?
Clueso: Natürlich! Davor habe ich mit "Handgepäck" ein Fanalbum gemacht und war dadurch befreit. Jetzt wollte ich ein Popalbum mit krassen Melodien, aber auch mit einer Richtlinie: nicht behäbig sein, eine Geschichte erzählen, gute Bilder liefern und weiterhin ich bleiben. Ein Refrain hinter einem Refrain war nie meins. Die Vorgabe war aber, mich komplett darauf einzulassen, wenn ein Produzent sagt: Wir machen einen großen Refrain, wir gehen über Wiederholung und über Emotionen, nicht über Coolness.

Denken Sie, dass Sie damit manchen Fan verschrecken?
Clueso: Nein. Die mögen ja den Rapper in mir. Ich bin aber gespannt. Jedes Album erspielt sich seine eigenen Fans. Manche kommen zurück, manche steigen aus.

Im Frühjahr startet Ihre Tour. Wird die wie geplant ablaufen?
Clueso: Es stagniert gerade, was den Ticketverkauf betrifft. Und wenn die nicht voll wird, spiele ich nicht. Das macht für alle keinen Sinn. Meine Berater meinen zwar, dass ich das nicht sagen soll - aber es geht um die Kulturbranche, einer muss es ja sagen! (lacht) Leute, ihr müsst Tickets kaufen, müsst auf Konzerte gehen, sonst funktioniert das nicht! Und dafür müsst ihr euch natürlich impfen lassen.