Die Platten von „Return To Forever“, zum Eindruckschinden bei den Mädchen in der Schule. Das weiße Duo-Album mit dem Kongenius Herbie Hancock, in der Schutzfolie gehütet wie ein Heiligtum. Seine „Children’s Songs“, live gespielt bei ersten Lyrik-Lesungen . . . ja, Chick Corea gehörte für unsereins zweifellos zur musikalischen Sozialisation.

Für den jungen Armando Anthony C., der in einer künstlerischen Familie in Massachusetts aufwuchs und seine Welt schon ab vier hauptsächlich in schwarze und weiße Tasten einteilte, gehörten Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Stan Getz und Thelonius Monk dazu, aber auch Mozart und Beethoven.

Bestimmt rührt auch daher das Faible des Pianisten, der rund 100 Alben aufnahm und 22 Grammys sammelte, die Grenzen immer weiter abzustecken und „a mishmash of all kinds of stuff“ zu lieben: „Meine Interessen wechseln so oft, wie das Jahr lang ist“, sagte Corea über seine Entdeckerfreude, „je öfter ich verschiedene Sachen spiele, desto mehr Möglichkeiten finde ich für mich selbst.“

Free Jazz mit Miles Davis, Bebop mit seinem Kinderidol Sarah Vaughan, große Pioniertaten im Jazzrock, Latino-Jazz mit Airto Moreira und Gayle Moran, mit der er seit 1972 verheiratet war: All das waren Teilfarben aus seinem immensen Spektrum, das allerdings nichts mit Beliebigkeit zu tun hatte, denn was immer der Mann mit seinen Bienenfingern angriff, hatte Qualität.

„Mr. Corea ist ein ähnlich ruheloser Geist wie Duke Ellington“, urteilte die „New York Times“ einmal, „er hat einen solchen Heißhunger, Musik zu spielen und neu zu kreieren, dass alles andere in den Hintergrund tritt.“
So verwunderte es also auch nicht, dass sich der Ausnahmepianist nach Konzerten oft ein Keyboard in sein Hotelzimmer stellen ließ, um die ganze Nacht weiterzuspielen und zu komponieren. Oder er blieb, nachdem alle anderen längst heimgegangen waren, allein auf der Bühne zurück und vertiefte sich noch in ein Mozart-Konzert.

Den gern kolportierten Gegensatz von klassischer Musik und Jazz verkehrte Corea oft ins Gegenteil. So nahm er zum Beispiel 1983 mit dem Universal-Musiker Friedrich Gulda und dem Amsterdamer Concertgebouw Orchestra unter dem Originalklangexperten Nikolaus Harnoncourt Mozarts Konzert für zwei Klaviere KV 365 auf. Oder 2010 „The Mozart Sessions“ mit Bobby McFerrin und dem Saint Paul Chamber Orchestra aus Minnesota.

Corea, für seine Mitgliedschaft bei Scientology häufig kritisiert, gastiert oft auch in Österreich. Im Wiener Mozartjahr 2006 etwa führte er sein zweites Klavierkonzert „The Continents“ auf. 2015 eröffnete der Pianostar mit einer Jazzgala den Carinthischen Sommer. Und Anfang März 2021 hätte Corea im Trio mit dem kubanischen Bassisten Carlitos Del Puerto und dem New Yorker Schlagzeuger Marcus Gilmore im Musikverein Graz debütieren sollen. Schon 2004 hatte er drei Konzerte beim Jazzsommer auf dem Mariahilferplatz in Graz gegeben und 2013 das Festival „Jazzliebe – Spring“ beehrt.

„Ich habe eine unsterbliche Neugier auf das Leben. Und mein Leben ist, Musik zu spielen“, sagte Chick Corea einmal. Das tat er bis zuletzt. Aber nun ist er im Alter von 79 Jahren nach kurzer Erkrankung an einer seltenen Krebsart verstorben. Return to forever!

chickcorea.com