Vor dunkelrotem Samtvorhang über den Dächern von Wien gab Roland Weißmann nach kurzfristiger Vorankündigung am Vorabend seine Kandidatur bekannt: an seinem freien Tag und auf eigene Kosten, wie er betonte. Umringt wurde der ORF-Vizefinanzdirektor dabei am kleinen Dachboden des Hotels 25hours von einer mehrköpfigen PR-Entourage. Ein einzelnes A4-Blatt lag auf den Sitzen verteilt. Titel: "Roland Weißmann bewirbt sich als ORF-Generaldirektor."

Lange schon war über Weißmanns Kandidatur für die Wahl am 10. August spekuliert worden. Der amtierende ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und ORF 1-Channelmanagerin Lisa Totzauer trauten sich zuerst aus Deckung. "Jetzt kann ich sagen: Ja, ich trete an." Der 53-Jährige gilt als aussichtsreicher Kandidat und als jener Mann mit den aktuell besten Kontakten zur türkisen Riege der Stiftungsräte, die im 35-köpfigen Gremium aktuell die Mehrheit hält und über den nächsten ORF-Chef oder die nächste ORF-Chefin entscheidet. Die "Tiroler Tageszeitung" bezeichnete ihn einmal bissig als "Thomas Schmid des ORF".

Der gebürtige Linzer präsentierte sich in blauem Anzug siegessicher, als ORF-Experte, als langjähriger Journalist und Manager und als jemand, der die Organisation seit 26 Jahren kennt: vom Landesstudio Niederösterreich bis zu den obersten Etagen am Küniglberg. Bei dem Pressegespräch unterstrich er mehrmals, dass er als Journalist angefangen habe. "Ich fühle mich der Unabhängigkeit und Objektivität verpflichtet", erklärte er. Und: "Ich bin nicht der Kandidat einer Partei". Auf Nachfrage noch: "Politische Interventionen machen bei mir keinen Sinn, weil ich denen schlicht und ergreifend nicht nachgeben werde."

ORF werde sich verändern müssen

"Auf den ersten Blick ist der ORF gut aufgestellt, auf den zweiten Blick werden die Herausforderungen deutlich", sagte Weißmann. "Der ORF wird sich verändern müssen, wenn er in zehn Jahren noch die gleiche Relevanz haben will wie heute." Der ORF stehe solide da, müsse künftig digitaler, jünger, weiblicher, diverser und regionaler werden. Wesentliche Säulen der Transformation seien der geplante ORF-Player, die Stärkung der Social-Media-Inhalte, hybride Strategien zwischen digitalen und linearen Inhalten, das Schließen der Streaming-Lücke, den multimedialen Newsroom und die Zielgruppe der Unter-30-Jährigen. All das hat auch schon die Konkurrenz um die Kandidatur des Chefsessels am Küniglberg verlautbart. Den Gender-Gap wolle er durch die kommende Neuanstellung infolge der Pensionswelle von 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zwischen 2023 und 2026 schließen.

„Ich habe und hatte nie ein Parteibuch und werde auch in Zukunft keines haben“, unterstrich er im Pressegespräch. "Ich fühle mich zu 100 Prozent dem ORF, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und vor allem unserem Publikum verpflichtet."

Die Landesstudios orte er als "perfekte Antithese" in Zeiten der Globalisierung, die Regionalität wolle er unbedingt stärken. Wie? Mit verstärkten überregional ausgestrahlten Sendungen. Er hätte gerne in den kommenden fünf Jahren pro Jahr aus jedem Bundesland ein konkretes Projekt. "Und zwar fix in den Budgets verankert."

Er sei ein "Teamspieler", betonte er. Einer, der wie es scheint, vorab viele Kilometer strategische Aufwärmrunden zurückgelegt hat. Sein Führungsteam sei so gut wie fixiert und bestehe aus "internen und externen Expertinnen und Experten".

Die Bewerbungsfrist für den ORF-Generaldirektorenposten endet mit 28. Juli. Eine Möglichkeit für Nachbewerbungen ist bis 3. August eingeräumt.