Es sind ganze Generationen, die mit seiner Stimme aufgewachsen sind. Robert Seeger war verbunden mit Sport im  ORF, der Chefreporter für Fußball und Skirennen war sozusagen ganzjähriger Begleiter, auch wenn die Laufbahn im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bereits 2008 zu Ende ging. Doch der Pensionist hält auch im Ruhestand wenig von Ruhe und kommentiert seit 2008 Fußball-Großereignisse weiter. Am 22. Juli feiert der Grazer seinen 80. Geburtstag. Und es trifft zu, wenn man sagt: In alter Frische …

"Sport hält eben jung, auch in allen Redaktionen sind die Sportjournalisten immer die, die am jüngsten ausschauen", sagt Seeger mit der so gewohnten sonoren, vollen und stets lauten Stimme und lacht. Übrigens: Er trägt diesmal keinen Norweger-Pulli, sonst sein absolutes Markenzeichen. Nichtsdestotrotz: Wesentlich verändert hat er sich nicht, seitdem er nicht mehr im Fernsehen zu sehen ist. Vielleicht ein paar Haare weniger.

Dass er einst zum Sportreporter wurde, war eher Zufall und sicher nicht so geplant, denn an sich sollte er das Geschäft des Vaters, "Papierwaren Seeger," weiterführen. Doch es kam anders. Nach einem US-Aufenthalt wurde er über seine Eindrücke interviewt - und prompt gefragt, ob er nicht selbst beim Radio arbeiten wollen würde. Das war 1965, bis 2008 sollte er beim ORF bleiben, ab 1973 schon als Sportchef im Radio Steiermark, schließlich als Chefkommentator für Fußball und Ski alpin im TV - inklusive weit über 800 TV-Livespielen und über 1000 Skirennen, bei denen er hinter dem Mikrofon saß.

Und auch nach der Pension wurde es nicht ruhiger, auch wenn er seine eigentliche Liebe, den Skisport, abgab. "Ich bin zwar selbst kein guter Skifahrer, aber meine Liebe galt immer den Alpinen. Weil es der Kontakt dort viel direkter war, weil man alle Stars kannte, mit ihnen reden durfte. Im Gegensatz dazu etwa war ich zwar für den ORF bei neun Fußball-Weltmeisterschaften, aber da sieht man die Stars ja selbst nur am Feld." Und doch: Die WM 2022 soll sein 25. Fußball-Großereignis sein, dass er live kommentiert - und, wenn alles hinhaut, dann würde am Ende als Krönung das 13. WM-Finale warten, das er kommentieren soll.

"Als ich heuer vor der EM meiner Frau gesagt habe, dass ich es noch einmal mache, warnte sie mich", erzählt er, "ich könne doch nur verlieren, die Leute hätten mich noch als guten Reporter im Gedächtnis. Aber nach der ersten Sendung hat sie angerufen und gesagt: "Entschuldige, ich habe mich geirrt. Du kannst es noch. Das ist doch ein schönes Kompliment." Dass er es noch kann, dafür gibt es Gründe, wie er erklärt. "Die Vorbereitung. Man sollte niemals überrascht werden können. Und deshalb bereite ich mich nach wie vor sehr penibel vor." Und dann gäbe es die Gabelung des Spiels selbst. "Bei einem Top-Spiel kannst du reden, was du willst. Das ist einfach. Aber bei einem schlechten, da musst du Regeln befolgen", sagt Seeger. Die wären: "Sagen, dass es schlecht ist, auch Stars kritisieren, wenn sie nicht ihre Leistung bringen. Und bitte nur keine Banalitäten erzählen."

Seine persönliche Fußball-Hitliste beinhalten übrigens zwei negative Erlebnisse. Da war die Tragödie beim Meistercup-Finale zwischen dem FC Liverpool und Juventus Turin 1985, als englische Fans einen italienischen Sektor stürmten und Panik ausbrach. 39 Menschen fanden den Tod, sozusagen live im TV. Kommentator war Robert Seeger. "Ich würde gerne darauf zu verzichten, auf die Katastrophe. Aber es war wichtig, dass alle gesehen haben, dass wir Kommentatoren auch Menschen sind und nicht nur einfache Tor-Schreier."

Die Nummer zwei: die "Schande von Gijon" bei der WM 1982, als Österreich mit Deutschland im Spiel einen offensichtlichen Nicht-Angriffspakt schloss. Das Spiel endete 0:1, beide Teams stiegen auf, Österreich schied aber gleich aus. "Ich hatte den Mut, das, was auf dem Feld passierte, anzuprangern. Ich war zornig wie alle anderen, habe mich geärgert, dass ich alle verurteilt habe."

Und erst an der dritten Stelle kommt der 4:1-Sieg der Österreicher über die Deutschen 1986 zur Einweihung des neuen Wiener Stadions. "Das erlebst du nicht oft, dass du Deutschland so heimschickst, mit Beckenbauer als Teamchef - schon gar nicht als ORF-Reporter."

Die Salzburger Austria und Sturm

Auf Klubebene bleiben ihm natürlich der Erfolgszug der Salzburger Austria im UEFA-Cup der Saison 1993/94 in Erinnerung, wo der bekennende Sturm-Fan sogar mit Salzburg-Schal kommentierte. "Weil etwas gelungen ist, was wohl nie wieder passieren wird: Salzburg für Österreich - und ganz Österreich für Salzburg." Und, siehe oben: Die Zeit des SK Sturm unter Ivica Osim mit den Erfolgen in der Champions League steht natürlich auch ganz oben. Nach wie vor ist Seeger Stammgast in der Merkur Arena, wenn "seine Schwoazn" spielen.

Zurück zum Skisport: Seeger führt nach wie vor das, wie er sagt, ausführlichste Archiv" der Welt. Alle Ergebnisse, alle statistischen Daten werden ein- und nachgetragen - auch wenn er selbst nicht mehr kommentiert.

Ausgezeichnet wurde er vielfach, vom Professor-Titel über Ehrenzeichen des Bundes, Landes und der Stadt Graz. Und doch hat er in der Pension beschlossen, sich mehr der Familie zu widmen. "Ich gebe meiner Frau die Zeit, die ich zuvor oft nicht hatte." Und dazu kommen Sohn Robert und drei Enkelkinder ("18, 16 und bald 14", wie Opa Robert gern erzählt), die das im kommenden Jahr seit 50 Jahren verheiratete Paar auf Trab halten.

Pläne? "Macht man in meinem Alter nicht mehr viele. Das WM-Endspiel 2022 ist auf dem Plan. Und, dass wir nach der Pandemie wieder einmal schön Urlaub machen können", sagt Seeger. Es sei ihm gegönnt.

Alles Gute!