Sie erzählten die Geschichten, die sonst niemand zu erzählen wagte: Die Spanier David Beriáin und Roberto Fraile waren in Burkina Faso, um über Wilderei in einem Nationalpark zu recherchieren, als am vergangenen Dienstag eine Extremistengruppe ihren Konvoi angriff. Der Reporter und sein Kameramann galten zunächst als vermisst, schließlich informierte die spanische Außenministerin über den Tod der Journalisten.

Die Beschneidung der Pressefreiheit ist ein Wort für viele Sachverhalte. Ihnen gemein ist die Missachtung des Menschenrechts, in Form und Konsequenzen unterscheiden sie sich grundlegend. Während Kriegsreporter wie Beriáin ihr Leben riskieren, um in gesetzlosen oder repressiven Gegenden der Welt der Wahrheit näherzukommen, sind die Einschränkungen in Ländern wie Österreich subtiler und weitestgehend gewaltfrei. Im kürzlich von "Reporter ohne Grenzen" veröffentlichten Ranking für Pressefreiheit rangiert Österreich auf Platz 17, Burkina Faso ist mit Position 37 immerhin das fünftbeste Land Afrikas. Was wohl mehr über die Schwächen der Maßstäbe für das Ranking als über die reale Pressefreiheit aussagt.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die freie Presse haben gezeigt, "wie fragil Pressefreiheit und demokratische Rechte sind und wie sehr dafür gekämpft werden muss", erklärt der Brite Jamie Wiseman, Experte des International Press Institute (IPI), das seinen Sitz in Wien hat und regelmäßig Berichte über die weltweite Pressefreiheit veröffentlicht. In vielen Ländern registrierte das IPI im Zuge der nationalen Pandemiebekämpfung Einschränkungen beim Zugang zu gesicherten Informationen und die Einführung von Fake-News-Gesetzen: Was nach seriöser Qualitätssicherung klingt, erweist sich bei genauerer Betrachtung als staatliche Zensur, die regelt, worüber berichtet werden darf.

Die Pandemie ist für die Pressefreiheit eine massive Herausforderung. 635 ernste Verstöße registrierte das IPI bisher weltweit: Je ein Drittel handelte von rechtlichen Repressionen und Formen der Gewalt – unter anderem bei Corona-Protesten. Der Rest fällt auf den verweigerten Zugang zu Informationen und Zensur. Die meisten Verstöße gegen die Pressefreiheit im Kontext von Corona wurden in Indien registriert – jenes Land, das aktuell unter einer massiven Infektionswelle leidet.

Österreichs Pressefreiheit sieht Wiseman auf einem noch immer "relativ hohen Level" und warnt zugleich: "Länder wie Polen oder Ungarn zeigen, wie leicht es ist, im Streben nach Medienpluralismus und Pressefreiheit zurückzufallen." Einige unschöne Facetten der ungarischen Medienpolitik zeigte jüngst die Causa rund um "profil"-Journalistin Franziska Tschinderle, die für eine korrekte Anfrage im ungarischen Fernsehen bloßgestellt wurde.

Das "ungarische Modell" beschreibt der IPI-Experte als Entwicklung, die er zu den größten Herausforderungen für die freie Presse in Europa zählt. "Wie wir in diesem Jahr sehen, wird es auch in Polen kopiert", wo der staatliche Ölkonzern 140 Zeitungen erwarb. Damit ist die Expansion des Orbán-Modells noch nicht abgeschlossen: "Sehr frühe Stufen einiger dieser Taktiken sehen wir in Slowenien unter Ministerpräsident Janez Janša." Verbalattacken gegen Journalisten und Druck auf die in Staatsbesitz stehende Nachrichtenagentur hatten ihm zuletzt Rügen der EU-Kommission eingebracht.

Die Union blieb bisher oft zahnlos. Abhilfe könnte ein in der Vorwoche von Industriekommissar Thierry Breton angekündigter "European Media Freedom Act" bringen, erklärt Wiseman: "Dies würde die Werkzeugkiste der EU erweitern, um auf Probleme wie in Ungarn oder Polen zu antworten, wo Regulierungsbehörden Entscheidungen zugunsten der Regierenden treffen."

Österreich zählt schon länger nicht mehr zur Weltelite der Pressefreiheit. Diese ist in Skandinavien zu Hause, angeführt von Norwegen. Freilich, Österreich ist dennoch ein freies Land mit freien Medien. Die Baustellen werden allerdings nicht weniger – nicht ausschließlich ist dafür die Politik verantwortlich: Der Stellenabbau der Austria Presseagentur, die absehbare Einstellung der "Wiener Zeitung", die Flut an Partei-Onlinemedien oder Attacken auf Journalisten bei Coronademos sind schlechte Vorzeichen: für den Medienstandort, aber auch für die Pressefreiheit in Österreich.