Es war nicht nur eine Auszeichnung, es war auch ein symbolischer Akt. Nach einem Jahr, in dem die Reichweiten des Radiomarkts österreichweit geschrumpft sind, vergab der Branchenprimus Ö3 im Februar erstmals einen Podcast-Award. Die Ausrufung eines Preises durch den reichweitenstärksten Radiosender des Landes kommt einer Verlautbarung gleich: Podcasts sind endgültig im Mainstream angekommen.

Prämiert wurde AndreasSator, der seit drei Jahren den Wissens-Podcast "Erklär mir die Welt" betreibt. Der Journalist und Autor befragt bisher in mehr als 150 Folgen Experten aus unterschiedlichen Branchen, zuletzt plauderte er – passend zur Auszeichnung – mit „Wecker“-Mastermind RobertKratky. Im Laufe der Jahre steigerte sich „Erklär mir die Welt“ auf rund 20.000 wöchentliche Downloads, nach dem Podcast-Award waren es doppelt so viele. „Das ist der Ö3-Effekt“, freut sich der Oberösterreicher, der zugleich zu bedenken gibt, dass er nicht wisse, wie nachhaltig dieser Aufwärtsschub sei. Die Situation in Österreich sieht er im Vergleich zu jener in den USA um einige Jahre entwicklungsverzögert: „Ein Beispiel: In der New York Times war es immer das Größte, auf die Seite Eins zu kommen. Jetzt ist eines der coolsten Dinge, wenn du im „The Daily“-Podcast über deine Recherche reden kannst, weil dich da fünfmal so viele Leute hören, als deinen Artikel je gelesen hätten.“

15.000 Hörer als Schwelle

Wer wissen will, wie es um Podcasts in Österreich steht, ist bei TatjanaLukáš und BernhardMadlener an der richtigen Stelle. Der gebürtige Feldkirchner führt in „Wiener Blut“durch kriminelle Geschichten der Hauptstadt, die gebürtige Innsbruckerin betreibt seit 2019 erfolgreich den Comedy-Podcast „Drama Carbonara“. Mit der Podcastwelt gründeten Madlener und Lukáš im Vorjahr zudem ein eigenes Branchenportal, das gemeinsam mit dem journalistischen Weiterbildungseinrichtung fjum ein eigenes Podcast-Institut entwickelt.

„Man muss sagen, dass der Markt schnell wächst“, beschreibt Lukáš die Situation in Österreich: „Die Medienhäuser steigen darauf ein, ob das jetzt der ORF oder die anderen Protagonisten am Markt sind. Podcasts machen gerade alle, weil sie halt auch verstanden haben, dass man damit Geld verdienen kann und das in anderen Ländern schon sehr gut funktioniert." Um mit Podcasts Geld zu verdienen, braucht es Werbung: Hier habe sich zuletzt viel getan, Werbegelder fließen schneller als früher, erzählt Lukáš: „Wir müssen nicht mehr erklären, was ein Podcast ist."

Die österreichische Marktgröße schätzt auf sie auf derzeit rund 850 bis 1000 Podcasts ein. Ein Bruchteil davon erreicht regelmäßig mehr als 2000 Hörer. Um davon leben zu können, seien in den meisten Fällen mindestens 15.000 Hörer notwendig, erklärt Lukáš, die zugleich einschränkt: „Auch Nischenprodukte können erfolgreich sein.“

Trend zu älteren Nutzern

"Erklär mir die Welt"-Podcaster Andreas Sator.
"Erklär mir die Welt"-Podcaster Andreas Sator. © (c) Matthias Cremer

Laut dem 2020 erschienen Digital News Report hören 30 Prozent der Österreicher mindestens einmal pro Monat einen Podcast. Weiterhin charakteristisch bleibt die Altersaufteilung: Während der Anteil bei den 18- bis 24-Jährigen 54,9 Prozent beträgt, hören in der Altersklasse 55+ bloß 17,1 Prozent regelmäßig Podcasts. Bernhard Madlener erwartet eine Öffnung der Alterspyramide nach oben: „Je mehr Formate aus anderen Nischen und Bereiche adaptiert werden, und je mehr Podcaster und Podcasterinnen selbst aus dieser Altersgruppe kommen, desto schneller erreicht man auch ältere Generationen.“ Den Trend zu älteren Hörern zeigen Zahlen aus Deutschland: Laut der aktuellen Online Audio Monitor-Studie war die Altersgruppe 50+ im Vorjahr mit einem Plus von 13,9 Prozent die am schnellsten wachsende.

Der Trend zu Podcasts zeichnet sich weltweit ab. Unter den 345 Millionen Spotify-Nutzern stieg der Anteil der Podcast-Hörer im letzten Quartal 2020 von 22 auf 25 Prozent während sich der Podcast-Konsum innerhalb des Coronajahres fast verdoppelte. Den Trend zu Audio belegte jüngst auch der Hype um die Social-Media App Clubhouse, der bald ähnliche Angebote, etwa von Twitter, folgen werden. Madlener schätzt Clubhouse als sinnvolle Ergänzung zu Podcasts ein, zu einer Verdrängung werde es aber nicht kommen.

Professionalisierung und narrative Formate

Für die Zukunft erwarten sowohl Madlener und Lukáš als auch Sator eine weitere Professionalisierung. Qualitativ mangelhafte Podcasts – vor einigen Jahren noch akzeptiert – würden immer seltener, auch weil immer mehr größere Anbieter in den Markt drängen. Lukáš erwartet einen Trend zu narrativen Formaten, Sator beobachtet eine zunehmende Fokussierung etablierter Medienhäuser auf das Thema Podcast: Die "Bottom up-Periode", als in erster Linie Einzelpersonen ohne große Voraussetzung Podcasts produziert haben, gehe langsam zu Ende.