"Soll ich dich nun Oma der Performancekunst nennen oder doch lieber Diva der Performancekunst?“ Da stehen sich zwei Menschen gegenüber, die sich einst heftigst geliebt und heftigst entliebt haben und treffen nach vielen Jahren erstmals wieder aufeinander, wie in der Doku „The Artist is Present“ zu sehen ist. Zufall ist das keiner, 2010 findet im MoMA in New York eine Abramović-Retrospektive statt. Dass Ulay (Frank Uwe Laysiepen, im März 2020 verstorben), langjähriger Seelenverwandter und Performancepartner, ihr einen schmerzhaften Seitenhieb mitgibt, liegt in der Natur der Sache. Sie haben sich angeschrien, gegenseitig abgewatscht, ihre Körper aufeinanderprallen lassen und mit Pfeil und Bogen nicht nur Schmerzgrenzen überschritten, sondern sich selbst in Lebensgefahr gebracht. Zwölf Jahre, von 1976 bis 1988, waren sie ein Paar und das Ende wurde in einer mehrmonatigen Performance zelebriert: Beide wanderten entlang der Chinesischen Mauer Tausende Kilometer aufeinander zu, um danach tränenreich eigene Wege zu gehen. Doch Marina Abramović, die heute ihren 75. Geburtstag feiert, war da längst schmerzerprobt, sie hat sich schon vor Ulay mit und in ihren Performances gestählt.