Bei Andy Warhol (1928-1987) neigt der oberflächiche Blick zur Verknappung: 15 Minuten Ruhm sind geblieben, vielleicht noch eine Suppendose. Bisweilen schwingt sogar ein kleines bisschen Verachtung mit. Ach, der Warhol, der, der viel zu viel von allem wollte! Viel stimmt, aber passt auch gut zu vielschichtig. Natürlich: Ikonen wohnt das Plakative, aber auch das Verkürzte inne. Das ist bei Andy Warhol nicht anders. Doch der Warhol, der konnte mehr, viel mehr, auch wenn es mit weniger beginnt: Für Warhol-Verhältnisse geradezu spartanisch sind seine Anfänge in den 1950er-Jahren, die im mumok-Erdgeschoss zu sehen sind: Zarte, aber nicht oberflächliche, Zeichnungen und Illustrationen, die ihn schon als profunden Beobachter seines Umfelds ausweisen.

M was her mustache removed in our salon, ca. 1953
M was her mustache removed in our salon, ca. 1953 © The Andy Warhol Museum, Pittsburgh; Contribution The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. 1998.1.1885/Licensed by Bildrecht, Wien, 2020

Auch homoerotische Miniaturen, die er später partout nicht mehr ausstellen wollte, sind zu sehen. Wie etwa die "Cock Drawings": Penisse in Serie, bisweilen putzig mit Schleife. Oder "Ladies Alphabet", eine Serie von Zeichnungen, die auf den ersten Blick wie Werbesujets in Modemagazinen wirken. Tatsächlich spielt Warhol hier mit der Konstruktion von traditionellen Geschlechteridentitäten, denn es sind nicht nur Frauen, sondern auch Drag Queens dabei. In starkem Kontrast stehen dazu seine "Marbled Drawings": Die Marmorierungen liegen wie schattenhafte Schleier auf dem zuvor geknickten Papier. Schattenspiele mit biografischen Anleihen. Gänzlich unverschleiert ist hingegen seine Obsession für nackte Füße, hier porträtierte er natürlich nur die Extremitäten von prominentesten Besitzern.

Die "Silver Clouds"
Die "Silver Clouds" © KPIC.AT/Mumok

Dem populären Warhol begegnet man im zweiten Stock mit einem Farbschock: 1966 kritisierte Warhol in der Galerie von Leo Castelli die Gier des Kunstmarktes. Frei nach dem Motto: "Ihr wollt immer mehr Bilder? Könnt ihr haben!" Und tapezierte einen leeren Raum mit einer Tapete aus, auf der ein magentafarbener Kuhkopf auf gelbem Grund zu sehen ist - die  Siebdruck-Serie "Cow Wallpaper". Kunstkonsumkritik in Form eines LSD-Trips, der sich mit den "Silver Clouds" im Nebenraum fortsetzt: Ein Lufthauch genügt, um die silbernen Ballons davonschweben zu lassen. Kunst als federleichter Konsumgegenstand. Die Ausstellung wartet noch mit weiteren Warhol-Klassikern auf, darunter der Film "The Chelsea Girls" (1966). Ein verdichteter Aufmarsch der Warhol-Entourage wie etwa "The Velvet Underground & Nico". Oder auch die Serie "Ladies and Gentlemen" (1975), in der Warhol Drag-Queens porträtiert. In Summe ein Rundgang durch die Aushängeschilder der Warholschen Kunstfabrik, die eines auch zeigt: Seine Popularität überlagert in der öffentlichen Wahrnehmung die Vielschichtigkeit seines Werkes.

Die Teilausstellung "Defrosting the Icebox" stellt Fragen nach der Inszenierung von Kunst und Ausstellungsgestaltung. Eine humorvolle Hommage an Warhols Ausstellung "Raid the Icebox 1" (1969/1970), in der er das Depot des Museum of Art der Rhode Island School of Design "plünderte" und ausstellte. Eine Werkschau der scheinbar unnützen Dinge, in der er nach Herzenslust alle Konventionen der Ausstellungsgestaltung auf den Kopf stellte. Objekte aus der Antikensammlung des KHM und des Weltmuseums ergeben so in Anlehnung einen verqueren und erfrischenden Mix.

"Andy Warhol exhibits. A glittering alternative" und "Defrosting the Icebox". Bis 30. Mai 2021 im mumok, Museumsplatz 1, 1070 Wien. www.mumok.at

Den ganzen März über finden Führungen durch das mumok auf Social Media statt.