Nicht erst seit einem von Infektionszahlen und Inzidenzraten geprägten Alltag sehe sich die Geisteswissenschaften in ihrer gesellschaftlichen Rolle marginalisiert und eingeschränkt: „In neoliberalen, ökonomisierten, renditeorientieren Universitätsbetrieb haben wir eine schlechten Stand“, sagt Johanna Rolshoven, Institutsleiterin für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie an der Grazer Uni.

Die Arbeit an geisteswissenschaftlichen Instituten gelte als altmodisch, „dabei sind genau das die Orte, an denen die Studierenden in zusammenhangsorientiertem kritischem Denken geschult werden.“ Rolshovens Institut hat, gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von den Universitäten Liechtenstein und der HafenCity Universität Hamburg, ein kulturwissenschaftliches Forschungsprojekt zum Thema „Value of Humanities“ durchgeführt und in experimentellen Tagungsformaten namens HUMANIFESTA in Graz, Vaduz und Hamburg bereits erprobt.

Am Mittwoch wurde zu dem Erasmus+-Programm nun ein „White Paper“ präsentiert - als Einladung und Anleitung zum gemeinsamen Denken, Sprechen und Handeln. Dazu eingesammelte Materialien sollen im Web als Werkzeugkiste für eine zeitgemäßen Wissenstransfer fungieren, mit deren Instrumentarium Studierende zu zivilgesellschaftlich aktiven Akteuren ausgebildet werden können.

Neben dem Web ist die Stadt der zweite Schauplatz des Projekts - als Ort der Diversität und zivilgesellschaftlicher Aushandlungsprozesse. Dazu spielen im Transfer von der Theorie zur Praxis auch außeruniversitäre Institutionen eine zentrale Rolle: Eine davon ist das Forum Stadtpark als „unabhängiger Denk- und Verhandlungsraum“, wie Leiterin Heidrun Primas ausführt.  das Forum blickt nicht nur auf eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte zurück, es fungiert aktuell auch als Aktivitäts-Hub im Zuge drängender gesellschafts- und kulturpolitischer Fragen. Folgerichtig sind die vom Forum mitgetragenen wöchentlichen Protestcamps für die Flüchtlinge aus Moria auf dem Grazer Freiheitsplatz mittlerweile auch Anlaufpunkt für „Studierende, die hier das Gelernte überprüfen können“, so Heidrun Primas.

Die gegenseitige Anreicherung von aktiver Kulturarbeit und wissenschaftlicher Theorie, der gesellschaftliche Dialog um Kulturanalysen, Diversitätsfragen etc. soll künftig jedenfalls noch weitere Kreise ziehen. Etwa an Schulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen. Mehr Informationen dazu unter www.valhuman.com