Bewertung: ****

An einem stürmischen Tag im April 1960 soll sich der schwedische Filmemacher Ingmar Bergman (1918 – 2007) verliebt haben. Und diese Liebe hielt allen Widrigkeiten zum Trotz bis zu seinem Lebensende. Bei fünf Ehen, neun Kinder von sechs Frauen und zig Affären keine Selbstverständlichkeit. Die Rede ist von der windgepeitschten schwedischen Ostseeinsel Fårö. Dort drehte der schonungslose Seelenaufwühler einige seiner berühmtesten Filme wie „Szenen einer Ehe“.
Dort hat auch die französische Filmemacherin Mia Hansen-Løve („Eden“, „Alles was kommt“) ihren neuen, in Cannes uraufgeführten und soeben bei der Viennale von ihr persönlich präsentierten Film „Bergman Island“ angesiedelt. In ihrem Drama reist ein Liebespaar, beide sind Filmschaffende, einen Sommer lang nach Fårö, um sich von dieser Umgebung inspirieren zu lassen. Während Tony (Tim Roth) rund 20 Jahre älter als sie und bereits ein gefeierter Regisseur ist, der zu Vorträgen über Bergman geladen wird, hadert Chris (Vicky Krieps) mit ihrem neuen Drehbuch und sich selbst. Die Spurensuche Bergmans mutiert bald zur eigenen Sinnsuche.
Leichtfüßig, visuell betörend im Breitband-Format und mit ungemeiner Zärtlichkeit ihren Figuren gegenüber arbeitet sich Mia Hansen-Løve vor der harschen Inselidylle, vor betörender Mitternachtssonne und pointierten Dialogen intelligent und subtil an harten Themen wie Geschlechterdynamiken im Leben, im Beruf und in der Kunst ab. Hinzu kommen Beziehungsfragen zwischen Kreativarbeit und Konkurrenz sowie das Gedenken an den Meisterregisseur. Denn wer, fragt sie, hat wohl Bergmans neun Kinder erzogen, während er, weit weg, das Königliche Dramatische Theater in Stockholm leitete und einen Film nach dem anderen schuf?


Der große Kniff der Französin ist ein Film-im-Film: Darin erzählt sie die semi-autobiografische Geschichte der jungen Filmemacherin Amy (Mia Wasikowska), die zu einer Hochzeit auf Fårö geladen wird und dort erneut eine komplizierte Affäre mit einem früheren Lover, Joseph (Anders Danielsen Lie) eingeht. Nach Ähnlichkeiten zur Biografie der Filmemacherin, die mit dem 26 Jahre älteren Regisseur Olivier Assayas muss man nicht lange suchen.
Die Performance von Vicky Krieps („Der seidene Faden“) leuchtet mit der skandinavischen Endlossonne um die Wette, wenn sie stetig versucht, sich von zwei Männern zu emanzipieren. Ihrem Partner und ihrer Ikone Bergman. Letzterem erweist Mia Hansen-Løves Film alle Ehre.