DEATH OF A LADIES' MAN

Bewertung: ***

Leonard Cohen hat zeitlebens mit seinen Songs an der Lebemann-Legende geschrieben. Matt Bissonette ließ sich zu einem Altherrenfilm inspirieren, der Cohens Figuren melancholisch in einem gewissen Samuel O’Shea vereint. Der irische Literaturprofessor rezitiert den größten Sohn Montreals und folgt seiner Todesmelodie. Den Alkoholiker und Frauenhelden treibt eine Tumor-Diagnose in die Arme üblicher Lebensweisheiten. Anspielungen an Cohen liegen nicht nur in den teils in Musicalszenen ausgebreiteten Songs. Hauptdarsteller Gabriel Byrne macht seinen Ladies’ Man sympathisch. Trotz kraftlosem Kitsch hat der Film das irische Québécois-Herz am richtigen Fleck. (mw)

DREAM HORSE

Bewertung: ***

Statt Gartenzwerge hat Supermarktkassiererin Jan ein Rennpferd in ihrer Gartenparzelle stehen. Basierend auf einer wahren Story setzt Euros Lyn eine Underdog-Geschichte in Szene, die ein warmherziges Plädoyer für das Festhalten an Lebensträumen ist. Ein solcher ist für Jan, ein eigenes Rennpferd zu züchten. Da ihr die Mittel fehlen, nutzt sie das dörfliche Pub als Crowdfunding-Zentrale. Die Stärke des Films ist zugleich seine Schwäche: große Emotionen, die gelegentlich ins Kitschige abdriften. Mit Publikumsliebling Toni Collette und „Homeland“-Star Damian Lewis schlüpfen zwei Darsteller in die Hauptrollen, die manche dramaturgische Schwäche vergessen lassen. (jb)

SZENEN MEINER EHE

Bewertung: ***

Als sie sich das erste Mal begegnen, sind sie sofort hin und weg voneinander. Aber beide sind fix liiert, also beginnen sie eine Affäre. Zehn Jahre später treffen sie sich zufällig wieder und heiraten bald darauf. Katrin Schlösser dokumentiert mit ihrer Handykamera ihre Beziehung zu Lukas Lessing. Das Debüt „Szenen meiner Ehe“ ist ein schonungsloser Einblick in ihren Alltag, ihre Sehnsüchte, Erkenntnisse. Am Küchentisch, im Garten oder im Schlafzimmer reden, debattieren und streiten sie über die Essenz des Liebens und Lebens – mit einigen Längen. (js)

NEW ORDER

Bewertung: **

Während eine noble Hochzeitsgesellschaft auf die Standesbeamtin wartet, bricht auf den Straßen eine Revolte der Unterprivilegierten aus. Michel Francos Figuren sind verdorben, nur die Braut will helfen, als ein Ex-Angestellter um Geld für eine Herz-OP bittet. Die Hochzeit wird gecrasht, es herrscht Anarchie. Der Mexikaner, der in Venedig mit einem Silbernen Löwen ausgezeichnet wurde, musste viel Gegenwind für seine brutale und brutal trostlose Gesellschaftsdystopie bis hin zu Rassismusvorwürfen gegen die indigene Dienerschaft im Film. Während die erste Hälfte Echtzeit-Spannung und scharfe Kritik bietet, verliert sich der Film danach mit der ‘neuen Ordnung’ des Ausnahmezustand dramaturgisch zusehends in Schockmomenten. Dystopisch zynisch. (mw)

NAHSCHUSS

Bewertung: ****

Franz Walter ist ein Täter, der zum Opfer wird. Für „Jedermann“ Lars Eidinger ist dieser Wissenschaftler, dem eine Professur angeboten wird, wenn er ein Jahr für den Auslandsgeheimdienst abtrünnige Kicker im Westen ausspitzelt, eine Paraderolle mit größtmöglicher Widersprüchlichkeit. Er wird mit einer schicken Wohnung bestochen. Doch langsam kommen dem Mann erste Zweifel. Lange Einstellung, Sepia-Farben, tolle Ensembleleistung machen die auf einer wahren Story basierende Geschichte der letzten DDR-Hinrichtung zum beklemmenden Drama. (js)

TOM & JERRY

Bewertung: **

Jerry Mouse und Tom Cat sind vor allem für irrwitzige Verfolgungsjagden und brutale Tötungsversuche bekannt. In ihrem neuen 100-minütigen Spielfilm werden die kurzen Slapstick-Sketches vom Regisseur mit dem passenden Namen Tim Story um eine etwas überflüssige menschliche Realfilm-Komponente erweitert. Die beiden gezeichneten Helden platzen in eine New Yorker Großstadtwelt und konkret ins noble Royal Gate Hotel. Chloë Grace Moretz spielt die nette Hochstaplerin Kayla, die sich dort gerade einen Job erschwindelt hat. Michael Peña ist der eigentlich ganz sympathische Bösewicht-Manager Terence. So wirklich nahtlos spielen Zeichentrick-Tiere und echte Menschen nicht zusammen. Und die Menschheitsgeschichte rund um eine Promi-Hochzeit lenkt unnötig vom etwas lieblos umgesetzten Highlight ab: dem Kampf Maus gegen Katze. Doch alle Beteiligten inklusive der animierten Titelhelden haben ihren Spaß - und das Kino-Publikum wohl auch. Tierisch kurzweilig. (mw)

DIE WELT WIRD EINE ANDERE SEIN

Bewertung: ****

Die Zeitrechnung im Film startet fünf Jahre vor dem 11. September 2001, genauer gesagt 1996 in Hamburg: Die ehrgeizige Deutsch-Türkin Asli studiert als erste Frau in ihrer konservativen Familie und lernt den libanesischen Kollegen aus betuchtem Haus, Saeed, kennen. Beim Flaschendrehen auf einer Party kommen sich die Medizin-Studierenden näher. Er fasziniert sie: Er ist weltgewandt, selbstbewusst und sehr charmant. Er umgarnt sie und bald werden sie ein Paar. Sie schmieden Pläne und ziehen zusammen. Asli ist glücklich. Und obwohl ihre Mutter gegen diese Beziehung ist, hält sie daran fest und heiratet Saaed – heimlich.
Nach „Zwei Mütter“ und „24 Stunden“ rückt die Regisseurin Anna Zohra Berrached erneut eine vielschichtig gezeichnete Protagonistin in den Fokus ihres Films, der als Liebesgeschichte startet. Erzählt wird von einer großen Liebe, die in einer großen, historischen Katastrophe endet. (js)