Die Oscars sind vergeben und Soul- und R&B-Sängerin Andra Day, nominiert als beste Hauptdarstellerin, unterlag Frances McDormand in "Nomadland" – dem Abräumer-Film des Abends. Im Biopic "United States vs. Billie Holiday", das ab 30. April auf diversen Streaming-Plattformen verfügbar ist und dann auch noch ins Kino kommen soll, verkörpert sie die legendäre Jazzsängerin. Regisseur Lee Daniels skizziert den Kampf, den die schwarze Sängerin in ihrem krisengebeutelten Leben führen muss: gegen das Opium, gegen brutale Männer, Vereinnahmungen aller Art, Rassismus und gegen das FBI. Dieser Episode wird ausführlich Platz gewidmet.

Auf mehrfache Weise im Fokus des Films steht "Strange Fruit": Der Song aus dem Jahr 1939 basiert auf dem Gedicht "Bitter Fruit" von Abel Meeropol. Er beschreibt ganz direkt einen Lynchmord im Süden der USA und gilt als früher Ausdruck einer Bürgerrechtsbewegung. Deswegen ist Billie Holiday zunehmend auch der Polizei ein Dorn im Auge. In ihrer Karriere ging es mehrmals darum, ob sie das Lied auf einer Bühne als Zugabe singen dürfe. Als sie sich dem Management widersetzt und "Strange Fruit" singt, wird sie verhaftet und landet im Gefängnis.

Anders als frühere Leinwandbiografien liegt "The United States vs. Billie Holiday" nicht die Autobiografie der Künstlerin zugrunde, sondern das Sachbuch "Chasing the Scream" von Johann Hari. Der Untertitel "The First and Last Days of the War on Drugs" skizziert, worum es geht: um Handel, Prävention, Drogensucht. Darum, wie sehr Schwarze in diesem Drogenkrieg kriminalisiert wurden und wie die Politik das Thema für sich benutzte und benutzt. Die heroinabhängige Sängerin ist unter den Protagonisten der Recherche des Journalisten. Ebenso wie der Regierungsbeamte Harry J. Anslinger, der im Film als ihr Widersacher gezeichnet ist und immer wieder Ermittlungen gegen sie einleitet.

Andra Day liefert darstellerisch sowie gesanglich eine betörende und mutige Performance ab und erhielt dafür auch einen Golden Globe. Sie interpretiert Holidays Songs ohne zwanghafte Originaltreue, die der Sängerin selbst in ihrer Karriere stets zuwider war. Die 36-Jährige bleibt als eigenständige Künstlerin in diesem Biopic erkennbar, verschwimmt weder mit ihrer Rolle noch mit der Figur. Das ist selten und vielleicht die allergrößte Stärke von "United States vs. Billie Holiday".

Es hapert aber an der Mutlosigkeit der Umsetzung: Es wirkt, als wollten sich die Macher nicht entscheiden, was das für ein Film sein soll. Für ein Biopic ist man zu weit weg von der Protagonistin. Für eine Story über den Drogenkrieg der USA nicht spezifisch genug. Und für einen Kunstfilm mit einigen experimentellen, rauschhaften Szenen nicht originell und mutig genug. Die größte Schwäche dieses Films ist aber, dass man der Protagonistin, die sich immer treu geblieben ist und sich von nichts und niemandem brechen ließ, selbst in den dramatischsten Szenen nicht wirklich nahekommt. Auch in ihren letzten Stunden am Krankenbett nicht, als sie bereits im Sterben liegt und die Bundespolizei ihr noch immer eine kriminelle Tat anhängen will.

Verfügbar u. a. auf Amazon, iTunes, Google Play. Später soll der Film auch ins Kino kommen.