Als Sängerin und Songwriterin ist Sia („Chandelier“, „Cheap Thrills“) weltberühmt und doch steter Indie-Darling geblieben. Nun ist die Australierin, die ihr Gesicht gerne unter Perückenhaar versteckt, auch Filmemacherin. Und zur Überraschung vieler wurde ihr bonbonfarbenes bis halluzinogenes Regie-Debüt „Music“ gleich für zwei Golden Globes nominiert: als beste Komödie/Musical sowie Kate Hudson als beste Darstellerin in dieser Sparte. Eigentlich hätte der Mix aus knalligem Feelgood-Film und ernster Empowerment-Geschichte auf der Leinwand starten sollen. Nun feiert er Premiere im Heimkino.

Dem Film fehlt in erster Linie eines: Authentizität. Und das ist leider nicht sein einziges Manko. Er entzieht sich einer Entscheidung zwischen farbenfrohem Fantasy-Musical, eklektischen Video-Sequenzen und Drama gänzlich. Das Hauptproblem liegt darin, dass Sia auch in diesem Film auf die Protagonistin aus vielen ihrer Musikvideos setzt: Tänzerin, Model und Muse Maddie Ziegler. In „Music“ verkörpert die 19-Jährige eine Figur diesen Namens, eine nonverbale Frau im Autismus-Spektrum, die, verkürzt erklärt, ihren Alltag nur dank der Kraft der Musik aus ihren türkisen Kopfhörern meistert.


Als die Besetzung bekannt wurde, ergoss sich ein Shitstorm über Sia. Behindertenverbände kritisierten, dass die Rolle des Teenagers nicht mit einer Autistin besetzt wurde „Der Film sei keine realistische Repräsentation über den Alltag mit Autismus“, hieß es zum Beispiel. Oder: In „Music“ werde „über unsere Community gesprochen, statt mit uns.“ Sia konterte, teils trotzig. Die Kritik verstummte nicht. Vor Kurzem kam spät aber doch eine Entschuldigung, danach löschte Sia ihren Twitter-Account. Der Gedanke, wie das wohl ausgesehen hätte, wenn eine Person mit physischen Einschränkungen diese auch verkörpern würde, lässt einen nicht mehr los.


Die gute Nachricht: Kate Hudson glänzt – kaum wiederzuerkennen mit Glatze – als abgehalfterte, perspektivenlose Schwester Zu, mit immenser Zerbrechlichkeit hinter der coolen Fassade. Als schwarzes Schaf der Familie mit langer Alkohol- und Drogenkarriere muss sie nach einem Todesfall auf ihre Schwester aufpassen und selbst zurück in ihr Leben finden. Nachbar Ebo (Leslie Odom Jr., „Hamilton“) hilft ihr dabei, die beiden nähern sich an.


In Spiel und Gesangsszenen harmonieren die beiden. Aber jedes Mal, wenn man glaubt, der Film komme nun auch emotional in Fahrt, wird die Spannung durch eine Szene in allen Farben, die der Regenbogen so hergibt, unterbrochen.

Songs wie „Saved my Life“ oder „Together“ aus dem Album „Music“ funktionieren allein wunderbar. Vorausgesetzt, die Bilder aus dem Film drängen sich nicht dazwischen. Ab Freitag auf Amazon Prime, iTunes, maxdome oder Videoland streamen.