Menschen in glitzernden Roben und mit Taft getunten Haaren, die plötzlich wild zu singen beginnen – mitsamt großer Gesten und theatralischer Bewegungen: Man muss das Genre des Musicalfilms nicht verstehen, um es inbrünstig zu lieben oder eben zu hassen.
Eines vorweg: der Netflix-Film „The Prom“ geizt nicht mit diesen Komponenten sowie Zuckerbrot und Peitsche der Gute-Laune-Maschinerie. Wem das auf Magen oder Grant schlägt, der wähle lieber einen anderen Film. Alle, die sich nach ein bisschen großem Kino sehnen, sei die Adaption des Broadway-Hits von 2018 nach wahrer Story empfohlen.

Mr. „Glee“ Ryan Murphy erzählt die Geschichte der lesbischen Schülerin Emma (Jo Ellen Pellman), der im konservativen Indiana die Teilnahme am Abschlussball verwehrt wird sowie dem Rettungs-Quartett der statusbesessenen Broadway-Schickeria.


Meryl Streep rockt. Das ist zwar keine große Überraschung, aber immer wieder aufs Neue betörend anzusehen. Die dreifache Oscarpreisträgerin verkörpert im unter dem Kitsch höchst anrührenden Werk die abgehalfterte Bühnen-Diva Dee Dee Allen, die soeben für ihre Darbietung als Eleanor Roosevelt von der Kritik gnadenlos verrissen wird. Gemeinsam mit der ewigen Nebendarstellerin Angie Dickinson (köstlich: Nicole Kidman). Kollegen Barry Glickman (klischeehaft: James Corden) und dem Barkeeper Trent Oliver (Andrew Rannells) eilt sie Emma zu Hilfe. Nicht aus Nächstenliebe, sondern aus Selbstzweck. Ein PR-Coup muss her, um das angekratzte Image zu verbessern.
Mit vielen Seitenhieben aufs Entertainment-Business sowie die Arroganz der Liberalen, warmherzigen Botschaften und einer ernst zu nehmenden Figurenzeichnung macht „The Prom“ trotz haarsträubender Dialoge gute Laune.

Der „Guardian“ will darin sogar den ersten Film der Ära Biden erkennen; gemäß dem Motto weg von der Selbst- hin zu mehr Nächstenliebe. Versöhnung statt Spaltung. Das ist doch übertrieben, aber der Liebenswürdigkeit des Films entzieht man sich schwer.
Übrigens: Es ist geplant, „The Prom“, „Mank“ und andere Netflix-Filme auch nach dem Comeback der Kinos ebendort auf Leinwand zu zeigen. Derweil: Ab morgen auf Netflix.