Erste Erkenntnis der Golden Globes und ihrer Verleihung in Pandemie-Zeiten: Auch Schauspielstars haben normale Wohnzimmer und mitunter mit unvorteilhaften Bildschirm-Ausschnitten zu kämpfen. Ansonsten bot die an vielen Standorten ausgerichtete Gala auch große Emotionen, zusammengerückte und herausgeputzte Familien auf der Couch, Tränen und die eine oder andere angriffslustige Dankesrede. Eh ganz fesch anzusehen. Auch die Gesichter der Leider-Nicht-Gewinnerinnen und -Gewinner.

Zweite Erkenntnis: Die Hollywood Foreign Press Association (HFPA) reagierte auf die Kritik der letzten Woche. Zumindest dort, wo es beim Voting bis Dienstag noch möglich war. Nach den Vorwürfen von fehlender Diversität, fehlenden schwarzen Mitglieder*innen sowie Korruption und Bestechung, zeichneten die 87 Mitglieder der Auslandspresse Hollywoods sehr viele People of Colour bei den Schauspielpreisen in den Filmkategorien aus. Um es genau zu sagen: So viele wie noch nie. Andra Day wurde überraschenderweise für "The United States vs. Billie Holiday" (Hulu) als beste Hauptdarstellerin in einem Drama prämiert, Daniel Kaluuya darf sich für den Preis als bester Nebendarsteller in "Judas and the Black Messiah" (Kino) freuen und der im August verstorbene "Black Panther"-Star Chadwick Boseman wurde erwartbarerweise posthum für "Ma Rainey"s Black Bottom" (Netflix) geehrt.

Diese Auszeichnungen  mögen nicht darüber hinwegsehen, dass ausgerechnet im Jahr der #BlackLivesMatter-Bewegung kein Film in den Königsdisziplinen bestes Drama bzw. beste Komödie/Musical nominiert wurden, der eine afroamerikanische Geschichte erzählt. Und an Angeboten mangelte es mit den u.a. wunderbaren Filmen "Ma Rainey's Black Bottom", "One Night in Miami", "Judas and the Black Messiah" oder eben "The United States vs. Billie Holiday" ganz bestimmt nicht.

Nächstes Ärgernis in der Debatte um fehlende Diversität: Das Famliendrama "Minari" von Regisseur Lee Isaac Chung ist eigentlich ein US-amerikanischer Film. Weil er mehrheitlich koreanische Dialoge enthält beziehungsweise eine Migrationsgeschichte erzählt, wurde er in die Kategorie bester fremdsprachiger Film verschoben - und ausgezeichnet. Der bittere Beigeschmack und die heftige Kritik daran bleiben.

Und wie reagierte die HFPA selbst bei der Gala? Nach der Bekanntgabe einiger Preise traten zwei Vertreterinnen der Auslandspresse auf die Bühne und beteuerten, es in Zukunft besser machen zu wollen. Nach einer starken Ansage wirkte das nicht. 

Dafür las Jane Fonda, die mit dem Cecil-B.-DeMille-Preis ausgezeichnet wurde, der Auslandspresse die Leviten. Sie sagte in ihrer Dankesrede u.a. diesen Satz: „Aber da gibt es eine Geschichte über uns in der Branche, die wir aus Angst nicht sehen oder hören wollten. Es ist die Geschichte, wen wir respektieren und ins Rampenlicht stellen und wen wir ausschalten. Es geht darum, wer einen Platz am Tisch angeboten bekommt und wen wir nicht in den Raum lassen, wo die Entscheidungen gefällt werden. Es betrifft also uns alle – inklusive jener, die entscheiden, wer einen Job bekommt und welcher Film gedreht wird und wer einen Preis gewinnt.“ Sehen Sie selbst!

Große Rückschlüsse lassen sich von den Globes-Gewinner*innen auf die Oscars schon lange keine mehr machen. Zur Erinnerung: Im Vorjahr dominierte die Satire "Parasite" die Oscars, bei den Globes war sie nicht einmal nominiert. Dort setzte sich u.a. "1917" durch. "Borat 2" und "Nomadland" gingen als die großen Abräumer der 78. Golden Globes hervor. Beides sind keine Netflix-Produktionen - der Streamingriese konnte sich am Filmsektor wieder einmal nicht beweisen. David Finchers "Mank" mit seinen sechs Nominierungen ging sogar völlig leer aus, Aaron Sorkins fünffach nominiertes Historiendrama "The Trial of the Chicago 7" holte sich eine Weltkugel für das beste Drehbuch ab. Auch die fürs Kino vorgesehenen Werke "The Father" und "Promising Young Woman" - beide vierfach nominiert - holten keine Trophäe.

Mit "Nomadland" schrieb Chlao Zhao trotzdem Filmgeschichte: als überhaupt erst zweite Frau holte die in den USA tätige gebürtige Chinesin als eine der Vertreterinnen einer jungen Regisseurinnen-Truppe nach Barbra Streisand einen Golden Globe für die beste Regie und als erst zweite Asiatin nach Ang Lee die Königsklasse "Bestes Drama". Und: Als erste Regisseurin schaffte sie es, in beiden Kategorien gleichzeitig zu reüssieren. "Nomadland", der furiose Kino-Roadtrip und schonungslose Abgesang auf den amerikanischen Traum mit der fabelhaften und ungeschminkten Frances McDormand in der Titelrolle zementiert damit vorläufig weiter seine Pole Position für die Oscarverleihung am 25. April ein. Wenngleich der Weg bis dorthin in diesem Pandemiejahr noch ein langer ist und die Karten hierbei noch öfter neu gemischt werden könnten.

Was Zhaos Film mit "Borat Subsequent Moviefilm" (Amazon Prime) eint - freilich mit ganz anderer Ästhetik, Dramaturgie und Grundhaltung umgesetzt - ist der Abgesang auf die Politik der Ära Trump. Ihr beider Blick auf die USA ist: abgründig, poetisch, hoffnungsvoll, schonungslos, humorvoll, entlarvend und irgendwie verbindend zugleich.