Seit Anfang November ist das Burgtheater stillgelegt. Eines der Opfer des langen Lockdowns: Shakespeares Königsdrama "Richard II." in einer Inszenierung Johan Simons'. Schon im Herbst hätte Premiere sein sollen. Dann im Dezember. Dann im Jänner. Dann vor Ostern. Weil das Burgtheater ab Mitte Mai saniert wird, kann die Bühnenpremiere des seit Monaten fertig geprobten Stücks nun trotz Wiederaufnahme des Spielbetriebs mit 19. Mai erst im Herbst stattfinden. Mittlerweile gab es ein Gastspiel in Bregenz - und am Dienstag Abend nun eine Aufführung via Livestream.

Das Publikum dürfte dem Haus dabei die Treue gehalten haben: Die Zoom-Einführung vorab, auf 100 Teilnehmer limitiert, war sofort überfüllt. Die Quoten des Livestreams selbst will das Burgtheater nicht bekanntgeben. Eine Erfolgsmeldung hätte die Inszenierung aber verdient. Die Geschichte von Shakespeares vielzitiertem "schlechtesten König" wird hier als Passion einer Unfähigkeit erzählt.

Richard, als Kind zum König gemacht, hat die Gottgegebenheit seiner Rolle nie in Frage gestellt. Simons zeigt ihn, in stetem Halbdunkel und in einem Palast aus nackten Latten, als unreifen Tropf in zu kurzen Hosen, der aus Eitelkeit Kriege führt und das Geld seiner Untertanen verprasst. Während eines seiner Feldzüge fällt sein Cousin Bolingbroke, den er aus einer Laune heraus des Landes verbannt hat, mit Truppen in England ein, der von Richard enttäuschte Adel schließt sich ihm an, der König muss abdanken und wird schließlich von einem Gefolgsmann seines Nachfolgers Bolingbroke ermordet.

In der Titelrolle zeichnet Jan Bülow diesen König als royalen Hohlkörper und eitlen Träumer, dem erst sein angestammter Platz in der Welt abhanden kommen und die Verfügungsgewalt über sein eigenes Schicksal entgleiten muss, ehe er mit später Einsicht in die tönerne Basis seiner Herrschaft doch noch berührt. Ihm gegenüber schlägt Sarah Viktoria Frick mit sichtlichem Gusto ihre Klauen in die Rolle des Bolingbroke. Eine Frau in der Rolle des Herausforderers: Das ist auch insofern interessant, als Simons die Schauspielerin jede Auseinandersetzung grunzend und fauchend wie ein Raubtier ausfechten lässt. Merke: In aggressiven Machtverhältnissen ist der Mensch dem Menschen immer Wolf. Und auch die Frage, wie sich Herrschaft legitimiert, wird hier geklärt: Immer auf die Schwächeren! Ist man erst ganz oben angelangt, wird sich ohnehin bald zeigen, ob man gut regiert. Und im mulmigen Halbschatten dieser gelungenen und straff abgefilmten Inszenierung stehen ja auch schon die ganze Zeit die nächsten, die ihre Zeit gekommen sehen könnten.

Richard II. Von William Shakespeare. Regie: Johan Simons. Bühne: Johannes Schütz. Kostüme: Greta Goiris. Mit: Jan Bülow,  Stacyian Jackson, Martin Schwab, Sarah Viktoria Frick, Oliver Nägele, Sabine Haupt u.a. Die Bühnenpremiere des Stücks am Burgtheater ist im Herbst 2021 geplant.
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