Wie haben es ihm das Wandern, das Nicht-Sesshafte, der andere, veränderte Blick auf die Welt doch angetan. Eine Besessenheit, der zahlreiche wunderbare Werke zu verdanken sind. Die Besessenheit spielt auch eine wichtige Rolle in Peter Handkes neuem Buch „Mein Tag imanderen Land“. Doch diesmal ist es zu Beginn die Erinnerung, die ihm davoneilt, sich irgendwo in seinem Unterbewusstsein verschanzt. Deshalb fällt es zuerst auch der Schwester des Ich-Erzählers zu, ihm von dessen Ausnahmezustand zu berichten. Schimpfend, fluchend, bedrohlich, oft in einer unbekannten Sprache, sei er durch die Dörfer gezogen, gefürchtet und gemieden wegen seiner Drohgänge, die oft in den Ausruf „Nieder mit der Schöpfung!“ mündeten – wie besessen von vielen bösen Geistern. Deshalb versah Peter Handke sein Buch auch mit dem Untertitel „Eine Dämonengeschichte“.

Befreiung


Erst Jahrzehnte später gelingt es dem Erzähler, dem einstigen Grauen, dem Außer-Sich-Sein, Kontur und Form zu geben. Als Obstgärtner arbeitete er einst, ehe er von den Dämonen befallen wurde und die gesamte Welt mit seinen Schmähungen heimsuchen wollte. Erst eine als „Guter Zuschauer“ bezeichnete Person kann ihn, mit einem einzigen Satz, von all der Dämonie befreien: „Da bist du mir ja wieder, mein Freund!“ lautet er.
Die Begegnung ereignet sich in einem Hafenort, der Geheilte wird aufgefordert, unverzüglich zu einer Überfahrt aufzubrechen, über einen See, um dort, in einer Dekapolis zu erzählen, was ihm geschah. Und allerspätestens jetzt wird klar, dass sich Peter Handke diesmal in den Bereich der Legende und auf biblisches Terrain begibt. Friedfertig, versöhnlich wird sein Ton, er genießt die innere Stille und Ausgewogenheit)und er nähert sich auf seinem Weg der heutigen Ruinenstätte Kursi auf den Golanhöhen, wo Jesus ein oder zwei Besessene (die Angaben schwanken) von Dämonen befreite.

Selbst-Ironie


Überraschend? Nein. Alle Werke von Peter Handke sind verbunden wie kommunizierende Wort-Gefäße, viele Anspielungen und vertraute Dinge kehren auch in dieser kurzen Reise in ein heiliges Land wieder, bis hin zum Freudenfest gegen Ende zu. Aber der Autor spart, wie stets, auch nicht mit Selbst-Ironie. Etwa, wenn er schreibt, dass er den einstigen Schriften über den Obstbau noch andere Bücher folgen ließ.
Gerne bliebe man länger in diesem anderen Land, reich an kleinen Geschichten, reich an Momenten, die sich in Unendlichkeit erstrecken, reich an Mythen, Querbezügen und traumhaften Episoden verpackt in traumhafte Poesie.

© KK

Lesetipp:
Peter Handke. Mein Tag im anderen Land. Bibliothek Suhrkamp, 93 Seiten, 18,95 Euro.