Jeder, der in dieser Gegend weilt, kennt ihn. Jenen nur noch mit der oberen Hälfte aus dem Wasser des Südtiroler Reschensees ragenden Kirchturm, der seit vielen Jahren zu den größten Touristen-Attraktionen der Region zählt. Millionenfach wurde er fotografiert, doch kaum jemand ahnt, welche tragischen Ereignisse diesen „Wasserturm“, fast siebenhundert Jahre alt, entstehen ließen. Marco Balzano, der zu den besten italienischen Gegenwartsautoren zählt, ging das Bild mit dem Turm nicht mehr aus dem Kopf. Penibel und gewissenhaft recherchierte er all die Hintergrundgeschichten, das Resultat führt zurück in die Jahre 1939 bis 1943, als sich Südtirol auch als politisch höchst gespaltenes Land präsentierte. Balzanos Spurensuche führt in ein kleines Bauerndorf namens Graun, dort lebt seine stille, große Heldin Trina, Ich-Erzählerin des Romans, die sich zur großen Widerstandskämpferin wandelt.

Verheerender Pakt


Der Pakt von Mussolini mit den deutschen Nazis im Jahr 1939 spaltet in Südtirol etliche Familien. Sie werden angesichts der beschlossenen Umsiedelungen vor die Wahl gestellt, entweder nach Deutschland auszuwandern oder als „Bürger zweiter Klasse“ in Italien zu bleiben. Trina bleibt. Heimlich unterrichtet sie als Lehrerin weiter, ehe ein irrwitziges Projekt nach dem Grauen des Zweiten Weltkrieges ihr Leben erneut in völlig andere Bahnen lenkt. Ein riesiger Staudamm soll errichtet werden, der dadurch entstehende See würde das gesamte Tal und somit auch die Häuser der Ortschaft und die Äcker ringsum überfluten. Trina entschließt sich, das gigantische Bauvorhaben zu sabotieren, wo immer es nur geht, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Ein packendes Werk, das auch die braune Vergangenheit Südtirols schonungslos aufzeigt, und eine Würdigung einer Heroin, die zum einsamen Turm in der Schlacht wird.
Marco Balzano. Ich bleibe hier. Aus dem Italienischen von Maja Pflug. Diogenes, 288 Seiten, 22,70 Euro.