Mit „Gone Baby Gone“, 1998 in den USA erschienen, zwei Jahre später in der deutschsprachigen Version versehen mit dem seltsamen Zusatztitel „Kein Kinderspiel, bescherte Dennis Lehane den Leserinnen und Lesern reihenweise emotionale Wechselbäder. Der Thriller rund um die Entführung der vierjährigen Amanda ist brutal, schonungslos, aber auch reich an berührenden Momenten. Dem Roman, der einem Schlag in die Magengrube gleicht, folgte 2007 eine exzellente Verfilmung, Ben Affleck gab sein Debüt als Regisseur, Morgan Freeman brillierte als Leiter der Ermittlungen, Amy Ryan sorgte als drogensüchtige Mutter des entführten Mädchens für Gänsehaut.

Der an falschen Fährten reiche Thriller, zweifellos ein frühes Meisterwerk von Dennis Lehane, der auch sein famoses Detektive-Duo Kenzie & Gennaro ins düstere Geschehen schickte, wurde nun von PeterTorberg, Experte für englische und amerikanische Kriminalliteratur, neu übersetzt. Seine Version ist rauer, kantiger, belegt aber auch noch deutlicher, wie plastisch, ohnehin fast schon filmreif die Erzählweise von Lehane ist. Stichwort filmreif: Bereits vor zwei Jahren wurde aus dem Stoff eine TV-Serie produziert, streng beaufsichtigt von Lehane. Das Remake war ja mit ein Grund für die Neuübersetzung, aber derzeit befindet sich die Serie noch in der Warteschleife.

Wer dieses exemplarische Glanzstück hoher Krimikunst samt seinem furiosen Finale, das auch etliche moralische Fragen aufwirft, noch nicht gelesen haben, ist um eine Pflichtlektüre reicher, aber auch das Wiederlesen lohnt sich angesichts dieser dichten, kompakten, irritierten Geschichte, die belegt, was Kriminalliteratur zu leisten vermag. Vor allem, wenn der Autor Denis Lehane heißt, der einige der finsteren und trostlosen Schauplätze in den Randsiedlungen von Boston nur allzu gut kennt. Er lebte und arbeitete dort als Parkplatzwächter. Sein Roman ist Kopfkino auf höchstem Niveau, gleichrangig und gleichwertig angesiedelt neben „Mystic River“ oder „Shutter Island“.

Denis Lehane. Gone Baby Gone. Diogenes, 574 Seiten, 17,50 Euro. Neuübersetzung aus dem Amerikanischen von Peter Torberg.