Vor einiger Zeit war Yukio Mishima noch der international populärste Schriftsteller Japans. Nicht einmal sein schillernder Charakter und sein skandalöser Tod haben verhindern können, dass dieser Klassiker der Moderne langsam in Vergessenheit geriet.

Der 1925 geborene Autor war ein Widerspruch, so rätselhaft wie ein Koan. Ein homosexueller Rechtsaußen, traditionsvernarrter Nationalist und doch vom westlichen „Lifestyle“ beeinflusst und von der literarischen Moderne geprägt. Nach einem lächerlichen, schnell gescheiterten Putschversuch beging der radikale Monarchist 1970 rituellen Selbstmord.

1956 war sein Roman „Kinkaku-ji“ erschienen (deutsch als „Der Tempelbrand“), inspiriert vom sonderbaren Fall eines Mönches, der im Goldenen Pavillon von Kyoto Feuer gelegt hatte. Im Juni 1950 war der mittelalterliche Bau abgebrannt, der verhaftete und später verurteilte Geistliche gab an, dass er die Schönheit des Tempels nicht länger ertragen habe. Mishima erzählt in seinem (nun mit dem exakteren Titel „Der Goldene Pavillon“ neu übersetzten) Buch die fiktive Geschichte des Brandstifters.

Mishima macht aus ihm einen Priestersohn mit Sprachbehinderung, der Probleme hat, sich als Teil der Welt zu sehen. Der Sonderling ergeht sich in endlosen philosophischen Betrachtungen und ist besessen von der Schönheit. Der Autor schildert komplexe Gefühlslagen und Widersprüche in klarer Sprache und zeigt, dass Idealismus und Schönheit einen zerstörerischen Kern haben. Die Hassliebe des Protagonisten zum Tempel und eine zentrale Episode um eine Abtreibung legen die Vermutung nahe, dass der Pavillon eine Metapher für Japan ist. Aber es ist auch ein Roman über einen isolierten Jugendlichen, dem der Zugang zum Leben verwehrt bleibt, über verkannte Lust und den Tod.

Yukio Mishima. Der Goldene Pavillon. Kein und Aber, 336 Seiten, 22,70 Euro
Yukio Mishima. Der Goldene Pavillon. Kein und Aber, 336 Seiten, 22,70 Euro © KK