Von der ersten Seite dieses kurzen, posthumen Werks an hat man eine französische Vorabendserie vor sich. Denn der Schauplatz – ein vom schlechten Geschmack und von der Protzsucht der Hausherrinnen verschandeltes Anwesen in der bourgeoisen Provinz – und die klischeehaften Figuren lassen sofort an eine TV-Soap-Opera denken. Wobei im ersten Drittel dieses unvollendet gebliebenen Romans durchaus ein paar schöne Spitzen enthalten sind, die einen zum Schmunzeln bringen können.
Ersonnen hat Françoise Sagan als eine der Hauptfiguren den Industriellen-Erben Ludovic Cresson, der knapp einen Autounfall überlebt hat und zur Überraschung aller genesen heimkehren kann. Sehr zum Bedauern seiner Frau Marie-Laure, die sich in ihrer Rolle der vermögenden Witwe einfach zu gut gefallen hat. „Für sie war seine Rückkehr eine Katastrophe. Sie hatte eine bewundernswerte Witwe abgegeben“, heißt es, die fortan die zärtlichen Avancen dieses „wiederauferstandenen“ Mannes noch weniger ertragen kann. Wobei ihr seine Leidenschaft schon immer lästig gefallen war. Das bekommt ihr Schwiegervater, Patriarch Henri, mit – und obwohl er und sein Sohn stets den Huren zugetan waren, kann er das so nicht gelten lassen – und greift ein.

Gefunden hat „Die dunklen Winkel des Herzens“ bzw. Textteile und Entwürfe davon Françoise Sagans Sohn Denis Westhoff, der die Lücken selbst „zart gefüllt“ hat, wie er erklärt. Ohne näher auf das Wo und Wie einzugehen. Und es bleibt auch ein Geheimnis, was Sagan, die 2004 trotz des Welterfolgs von „Bonjour Tristesse“ (1953) verarmt und einsam in der Normandie verstarb, mit diesem Fragment, das aus den 1980er- oder 1990er-Jahren stammen soll, eigentlich vorhatte. Heute wirkt es vor allem aus der Zeit gefallen.
Françoise Sagan.Die dunklen Winkel des Herzens. Ullstein, 192 Seiten, 20 Euro.