Du bist doch nur ein Junge, du weißt rein gar nichts.“ Doch Jaxie Clackton, der Held von Tim Wintons neuem Roman „Die Hütte des Schäfers“, wurde die Jugendlichkeit schon früh buchstäblich aus dem Leib gedroschen, und über die erwachsenen Dreschflegel – allen voran von seinem Stiefvater – weiß dieser Prügelknabe mehr, als ihm lieb ist. Nach dem Wegsiechen der Mutter, der er hilflos beim Sterben zusehen musste, und dem Unfalltod seines Peinigers – Erlösung und Fluch gleichzeitig – sucht Jaxie das Weite und irrt in der Folge durch die wüste Endlosigkeit Westaustraliens.

Bücher über Jugendliche, die bar materieller und seelischer Behausung eine schmerzhafte On-the-Road-Reifeprüfung absolvieren müssen, haben vor allem im angelsächsichen Literaturraum gerade Hochkonjunktur. Doch oft ruckeln diese Roman-Vehikel recht unrund über die Sprachpiste. Entweder der Ton ist zu erwachsen oder zu kindlich. Sich für seine Figuren klein zu machen, verlangt viel schreiberische Größe. Und in diesem Sinn ist Tim Winton ein ganz Großer, der den schwierigen Mittelweg zwischen Nähe und Distanz findet.

Dass der mehrfach ausgezeichnete Australier bereits mehrere Bücher und Theaterstücke über die mühselige Wegstrecke des (Er-)Wachsens verfasst hat, ist diesem ergreifenden Roman, der – ebenso wie die australische Landschaft – durch brutale Schönheit besticht, anzumerken.

Auf seiner Odyssee, einem wortgewaltigen Taumeln durch die inneren und äußeren Weiten der Welt, begegnet der jugendliche „Irrläufer“ einem Priester, der sich in der gottverlassenen Wüste zurückgezogen hat. Aus dem vermeintlich wirren Redeschwall des alten Mannes, der ebenfalls ein Geheimnis in und mit sich trägt, kann der 15-jährige Streuner überraschende Erkenntnisse über sich selbst destillieren.

„Die Hütte des Schäfers“ ist ein berührender, kluger Coming-of-Age-Roman, ein vielstimmiges Road-Movie, das das Unterwegssein nie zum heroisch-staubigen Abenteuer verklärt. Und am Ende des Weges, auch am Ende seines verbalen Wütens, wird dieser Jaxie Clackton feststellen, dass er zwar kein Junge mehr sein darf, ihn der Dreschflegel des Lebens aber nicht zwangsläufig zum deformierten Großen machen muss. Die Straße ist vorgegeben, aber das Lenkrad hält man selbst in der Hand.