Der Bühnen-Aufsichtsrat musste Anfang November die Nachfolgerin oder den Nachfolger von Iris Laufenberg (55) küren, die 2023 ans Deutsche Theater Berlin wechselt. Es wurde bekanntlich die Kölnerin Andrea Vilter (55). Gleich darauf ging es auch um die Nachfolge von Nora Schmid (43), die seit 2015 die Oper leitet und mit der Saison 2024/25 Intendantin der Semperoper Dresden wird, wo sie bereits Chefdramaturgin gewesen war. Schmid wird ihr Amt in Graz noch bis zur Saison 2022/23 ausüben.

Laut Bühnen-Chef Bernhard Rinner hatte man aus 20 Bewerbungen (eine Doppelspitze) drei für eine Shortlist ausgewählt. Die Kandidatinnen und Kandidaten waren ursprünglich Mitte Dezember zu Hearings geladen, nun ging es aber doch schneller als geplant.  "Das Wetter bringt zwar trübe Aussichten, aber - meine sehr geehrten Damen und Herren - , der Lenz ist da", sagte Rinner bei der Pressekonferenz heute Mittag (26. November) im Spiegelfoyer der Oper, als man den Neuen vorstellte. Es ist Ulrich Lenz (51), der aus dem umfangreichen Auswahlverfahren hervorging und sich am Ende auf der Shortlist gegen einen anderen Mann und eine Frau durchsetzte.

Lenz, geboren 1970 in Schwäbisch Gmünd im Osten Baden-Württembergs, studierte Musikwissenschaft, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte in München, Berlin und Mailand. Während seines Italienaufenthaltes war er als Korrespondent der Tageszeitung „Die Welt“ tätig und berichtete regelmäßig über kulturelle Ereignisse in Oberitalien. Er begann seine Theaterlaufbahn in der Spielzeit 1997/98 als Dramaturgieassistent an der Staatsoper Stuttgart. In den darauffolgenden Jahren war er als Operndramaturg an den Theatern in Linz und Mannheim tätig. 2006 wurde er Chefdramaturg an der Staatsoper Hannover, wo er bis 2011 wirkte. Seit der Spielzeit 2012/13 ist er Chefdramaturg im neuen Team von Barrie Kosky an der Komischen Oper Berlin, mit dem ihn eine langjährige Zusammenarbeit verbindet, die ihn als Gastdramaturg an Opernhäuser wie das Aalto-Musiktheater in Essen (Wagners „Götterdämmerung“), die English National Opera in London (Rameaus „Castor et Pollux“), das Royal Opera House Covent Garden in London (Schostakowitschs „Die Nase“) und zu den Bayreuther Festspielen (Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“) führte.

Elisabeth Freismuth fand im Namen der Jury, die auch mit Pamela RosenbergJossi Wieler, Stefan Herheim und Bühnen-Chef Rinner hochrangig besetzt war, nur lobende Worte. Wie auch Kulturstadtrat Günter Riegler (ÖVP) als Eigentümervertreter der Stadt Graz hob die Juryvorsitzende und frühere Rektorin der Kunstuniversität die maßgeschneiderte Bewerbung von Lenz hervor, die alle überzeugt habe und zum einstimmigen Beschluss für den Deutschen führte. Er sei eine hochgradig künstlerische Person und kompetente Führungspersönlichkeit, habe tiefes Verständnis sowohl für Historisches als auch Gegenwärtiges. Auch Kulturlandesrat Christopher Drexler (ÖVP) zeigte sich überzeugt davon, dass man den Weg der Qualität und Exzellenz an der Oper Graz mit Lenz konsequent weiterbeschreite.

Ulrich Lenz sprach bei der Pressekonferenz via Livestream davon, „zunächst einmal erfreut zu sein, von einem Haus von Helmer & Fellner in ein anderes Haus von Helmer & Fellner zu wechseln. Die Komische Oper Berlin als sein jetziger und die Grazer Oper als sein künftiger Arbeitsplatz wurden nämlich vom berühmten Architektenduo gestaltet. „Und mindestens die Hälfte meines Herzens schlägt für Österreich“, verriet der Deutsche bei seiner Präsentation und meinte damit seine „höchst erfüllenden Jahre“ als Dramaturg in Linz. Die von Nora Schmid forcierte Stilvielfalt wolle er noch weiter ausbauen: Dazu zählen für Lenz unter anderem die Barockopern, etwa von seinem Favoriten Jean-Philippe Rameau, genauso wie regelmäßige Uraufführungen, denn „ich brenne für die Oper und dafür, sie in ihrer Geschichte weiterzuführen“; dabei könne er sich vorstellen, thematisch auch lokale Anknüpfungspunkte zu finden. „Die Pflege des Klassischen bleibt natürlich weiterhin an vorderster Stelle“, von Mozart bis Wagner, vom italienischen bis zum slawischen Repertoire. Operette und Musical gelten für Lenz nicht als leichte Einstreuer für das Publikum, „sondern als Aufgabe und Verpflichtung, da gibt es auch abseits des Mainstreams noch wahnsinnig viel zu entdecken, da gehe ich mit ganzer Leidenschaft ran“. Offene Türen sind dem designierten Intendanten ebenfalls wichtig, deswegen werde er inklusive und partizipative Angebote noch verstärken, könne sich offene Formen des Theaters und sogar Open-airs vorstellen und würde sich über Kooperationsprojekte etwa mit dem Schauspielhaus freuen. Es soll jedenfalls mit ihm „ein allumfassendes Miteinander“ geben.