Man könnte vielleicht damit beginnen, Folgendes festzuhalten: Das Besondere an My Ugly Clementine ist, dass diese Musik zwar gut ist, aber eigentlich nichts Besonderes. Und gerade das macht My Ugly Clementine so besonders.

Sophie Lindinger (29) verstummt kurz, dann lächelt sie, zumindest glaubt man, das durch das Telefon zu spüren. „Ja, stimmt, damit kann ich etwas anfangen“, sagt die gebürtige Oberösterreicherin. „Wir haben das Rad nicht neu erfunden, es hat alles schon einmal gegeben. Aber wir machen auf ernsthafte Weise und mit Leidenschaft Musik. Vielleicht funktioniert es deshalb so gut.“

Die 29-Jährige ließ bereits als Stimme des Elektro-Pop-Duos Leyya aufhorchen. Dann, 2019, gründete sie gemeinsam mit Mira Lu Kovacs, Kathrin Kolleritsch und Nastasja Ronck die Band My Ugly Clementine. Ein buntes Kollektiv aus MusikerInnen aus verschiedenen Stilen und Richtungen, die bereits als Einzelpersonen Karriere gemacht und Erfahrungen gesammelt haben. My Ugly Clementine schlug sofort ein, wurde zum Darling der Kritiker, das erste Konzert war ausverkauft, bevor überhaupt Musik auf dem Markt war.

Dann, 2020, das Debütalbum mit dem Titel „Vitamin C“. Das C hatte aber nichts mit dem allgegenwärtigen Virus zu tun, ganz im Gegenteil: „Der Titel steht dafür, dass unsere Musik eine gesunde, positive Energie verbreiten soll“, sagt Lindinger. Eine Musik, die stark auf dem Revival der 90er mitschwimmt. „Ja, auch das stimmt. Ich habe viel Nirvana gehört. Gute Melodien und ein etwas dreckiger Sound, das ist unser Ding.“

Sophie Lindinger ist die Songschreiberin bei My Ugly Clementine. Während die Musik recht gefällig, nostalgietrunken und streckenweise sogar unspektakulär daherkommt, geht es in den Texten schon eher ans Eingemachte. Gleichberechtigung, Selbstbestimmung, Geschlechterklischees sind die Themen, über die auch anno 2021 noch gesprochen (und gesungen) werden muss, obwohl alles längst ausverhandelt sein sollte.

„Ist es aber nicht“, so Sophie Lindinger. „Ein guter Beweis dafür ist, dass ich in vielen Interviews lang und breit erklären muss, dass wir keine Frauenband sind, als welche wir gerne bezeichnet werden. Das ist doch absurd und nervt. Was hat unser Geschlecht mit unserer Musik zu tun? Werden Musiker danach gefragt? Nein! Wir sind vier Menschen, die Musik machen. Aus, basta.“ Ein Thema, das Lindinger auch im Song „Playground“ aufgreift: „Just because I have smaller hands/doesn’t mean I can’t do what my male friends can.“

Dass die Band in dieser Woche mit dem „European Independent Album of the Year“-Award ausgezeichnet wurde – ein Preis, den in den Jahren zuvor Kaliber wie Adele, The XX oder Caribou eingeheimst hatten –, hat Lindinger gefreut, aber auch überrascht. „Dass wir für Österreich nominiert waren, war schon sehr lässig. Aber dass wir den Preis auch gewinnen werden, hätte ich nie gedacht.“ Die Auszeichnung sieht Lindinger auch als Signal und Beweis. „Dafür, dass Musik aus Österreich absolut auf dem internationalen Markt mithalten kann. Genauso, wie es egal ist, welches Geschlecht man hat, ist es mittlerweile egal, aus welchem Land die Musik kommt. Gut muss sie sein.“

Naturgemäß hocherfreut über diese prestigeträchtige Auszeichnung ist Hannes Tschürtz, Chef des Wiener Labels Ink Music, auf dem das Album „Vitamin C“ erschienen ist. „In diesem europäischen Bewerb mit insgesamt 25 Endteilnehmern waren auch ganz große Labels im Rennen. Dass wir letztendlich gewonnen haben, hat auch mich sehr überrascht.“

Eine mögliche Erklärung für diese Anerkennung möchte Tschürtz im größeren Kontext sehen. „Diese Band trifft schon den Zeitgeist. Wir erleben gerade ein 90er-Revival, Gitarren sind wieder gefragt. Und My Ugly Clementine liefern einen grungigen Sound mit starker weiblicher Komponente.“

Das allein würde jedoch nicht ausreichen, sagt Tschürtz. „Das Geheimnis des Erfolges ist vermutlich, dass diese Gruppe die Musik – die nicht brutal kantig ist, aber trotzdem Appeal hat – mit einer inhaltlichen Botschaft vereint. Und das auf eine ganz natürliche, organische Art und Weise. Das könnte das beste Marketing nicht erfinden.“ Und, in Zeiten wie diesen auch nicht unwesentlich: „Es geht in den Songs zwar um ernste Themen, aber auch darum, wie wichtig es ist, im Leben Spaß zu haben.“

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