Während des Lockdowns wurden Verkäuferinnen gefeiert und der Frisör schmerzhaft vermisst. Hat diese Phase die Wertschätzung dieser Lehrberufe nachhaltig gesteigert?

Andreas Reiter: Die genannten Lehrberufe haben zweifellos bei den Konsumenten an Wertschätzung gewonnen – man merkt ja oft erst dann die Wichtigkeit von Dingen, wenn man sie nicht mehr hat, so wie etwa den fehlenden Frisör in Zeiten des Lockdowns. Dass aber daraus langfristig auch eine höhere monetäre Wertschätzung, also eine höhere Entlohnung folgt, das bezweifle ich.

Viele Österreicher investieren den Großteil ihrer Urlaubskasse ins Eigenheim: Pools werden gebaut, Dächer oder das Bad saniert. Wird das gute alte Handwerk in Zukunft gefragter sein?

Zukunftsforscher Andreas Reiter

Inwiefern muss man bei der Lehrlingsausbildung umdenken?

In unserer schnelllebigen Zeit ist es enorm wichtig, dass die jungen Leute generell fit gemacht werden für ein Leben in Veränderung. Das bedeutet, in der Ausbildung nicht nur auf eine Fähigkeit zu fokussieren, sondern ein Set an Möglichkeiten anzubieten, so wie man es ja bei den Modullehrberufen bereits macht. Damit haben die jungen Leute dann wesentlich mehr berufliche Fähigkeiten.

Welche Fertigkeiten müssen die Lehrlinge der Zukunft mitbringen?

Zukunft ist nie einfach, sondern vielfach – das erfordert auch einen Fächer an geforderten Kompetenzen: fachliche, soziale, kommunikative. Generell halte ich die Vermittlung von kreativen Fähigkeiten zur Problemlösung am wichtigsten. In einer hochkomplexen digitalen Welt geht es darum, plötzlich auftauchende Probleme kompetent zu lösen.

Wie schafft man es in diesen unsicheren Zeiten, junge Menschen für die Lehre zu gewinnen?

Ich glaube, wir müssen mutiger und experimenteller an die Gestaltung unserer (eigenen) Zukunft herangehen. Wenn nichts mehr sicher ist, verlieren tradierte Vorstellungen von gesellschaftlichem Erfolg an Bedeutung. Es müssen nicht alle Menschen Akademiker werden. Im Gegenteil - wichtig ist, dass man das macht, wofür man brennt. Nur dann ist man gut. Und wenn ein junger Mensch zum Beispiel handwerkliche Fähigkeiten hat, dann sollte man diese Ressourcen unbedingt weiterentwickeln.

Ist die Lehre in Österreich bereits digital genug?

In bestimmten Branchen – etwa in der Industrie 4.0 – ist die Digitalisierung der Lehre schon weit fortgeschritten. In anderen wiederum gibt es einen vermehrten Aufholbedarf. Da jedoch die junge Generation, die Generation Z, eine voll und ganz durchdigitalisierte Generation ist, speisen sich gerade in der Kommunikation etc. digitale Formate und Kanäle automatisch stärker in den Alltag ein. Die Alten lernen – hoffentlich – von den Jungen. Zudem verstärkt Covid-19 den Digitalisierungsschub in allen Bereichen und Branchen.

Welche Arten von „Lehren“ haben aus Sicht des Zukunftsforschers die größten Zukunftsperspektiven?

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Es sind vor allem jene Berufsfelder, die in einer digitalen Wirtschaft besonders wichtig sind, also z.B. Logistiker. Starke Zukunftsperspektiven haben insgesamt technologische Lehrberufe wie Mechatroniker oder Elektroniker. Daneben sehe ich aber auch starke Zukunftschancen im traditionellen Handwerk, das eine neue Renaissance erleben wird, also zum Beispiel Tischler. Angesichts des Klimawandels und der damit verbundenen wachsenden Bedeutung von Grünanlagen in Städten bekommen Lehrberufe wie Gartengestalter einen starken Aufwind.