Kennen Sie das? Man hat eine Aufgabe zu bewältigen, die wahnsinnig anstrengend ist, die sich aber nicht vermeiden lässt. Also nimmt man all seine Kraft zusammen, denn man weiß, man muss da durch – in der Hoffnung, dass alles besser wird. Diese Aufgabe heißt in unserem Fall Corona und dauert nun schon ein halbes Jahr. Ob und wann etwas besser wird, wissen wir nicht. Zahlreiche Menschen bemerken derzeit bei sich eine große Müdigkeit und Erschöpfung. Wen wundert das? Seit Monaten befinden wir uns in einem globalen Ausnahmezustand, aus dem es offenbar kein Entrinnen gibt. Regeln, die sich noch dazu häufig ändern, beherrschen unseren Alltag und machen Abläufe komplizierter. Viele müssen nun noch mehr leisten als vorher, um unterm Strich weniger Ergebnis zu erzielen. Eine längerfristige Planung erscheint nahezu unmöglich, über allen Dingen schwebt ein großes Fragezeichen. Pläne werden ständig über den Haufen geworfen, die viel beschworene Flexibilität wird aufs Äußerste strapaziert. Manche können damit erstaunlich gut umgehen, für andere ist so eine Lebens- und Arbeitsweise schlichtweg ein Horror.

Während viele Menschen den seinerzeitigen Lockdown mitunter sogar erholsam fanden, macht sich also nun, ohne Lockdown, Erschöpfung breit, und zwar scheinbar bereits in epidemischen Ausmaßen. Warum ist das so? Das radikale Runterfahren unserer Highspeed-Gesellschaft schien uns im März angesichts einer realen Bedrohung notwendig. Es gab eine Handvoll halbwegs klarer Regeln und ein einigermaßen absehbares Ende. Etliche nutzten die Zeit, um sich vom mörderischen Tempo unseres Alltags ein wenig zu regenerieren. Und nun? Das Tempo ist zurückgekehrt, verschärft durch sehr viel Ungewissheit und getrieben von einer überwältigenden multimedialen Angstmaschinerie, die 24 Stunden am Tag auf Hochtouren läuft. Mit Überwachungsmethoden, die man sonst nur aus der Verbrechensbekämpfung kennt, werden Infizierte aufgespürt. Unverschuldet Angesteckte werden teilweise wie Aussätzige behandelt. Keine Firma, keine Organisation will sich die „Schande“ einer Ansteckung, geschweige denn eines Clusters einhandeln. Man fürchtet bei Corona-Fällen die öffentliche Geißelung, als ob es sich nicht um eine Viruserkrankung, sondern um einen Kinderschänderring handelte. Trotz zahlloser bürokratischer Richtlinien für fast alles und jeden trauen sich viele nicht, Tagungen, Meetings, Veranstaltungen oder sonstiges Tagesgeschäft zu organisieren, aus Panik vor eventuellen Folgen und Haftungen. Wir stehen am Rande einer Massenhysterie.

Kann es sein, dass die Angst vor Corona inzwischen mehr Schaden anrichtet als Corona selbst? Keineswegs will ich Corona-Erkrankungen verharmlosen. Aber wofür gibt es denn Handlungsanweisungen, die von Experten nach jeweils neuestem Erkenntnisstand erarbeitet werden? Der Sinn ist es doch, dass dieses Regelwerk uns einen Alltag ermöglicht, anstatt dass wir jeglichen Alltag aus Angst vermeiden. Wir können nicht mehr tun, als unseren Verstand zu benützen und diese Anweisungen vernünftig anzuwenden! Das heißt, sich selbst und andere nach bestem Wissen und Gewissen zu schützen, ohne dabei panisch zu werden. Denn Panik ist das Gegenteil von Vernunft. Wenn unsere Psyche unter dem ganzen Stress, der Panik, der Angst einknickt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch unser Körper, unser Immunsystem folgen. Das wäre dann genau das, was wir vermeiden wollen. Der Alltag darf also neben immer neuen Schreckensmeldungen, täglich erneuerten Zahlenspielen und düsteren Zukunftsprognosen auch schön sein. Mit Natur- und Kulturerlebnissen, mit Normalität und vor allem mit Menschlichkeit. Und ja, mir wäre wohler, wenn unsere Politik nicht ausgerechnet von jenen glatten Selbstvermarktern dominiert wäre, die mir auch vor den Corona-Abstandsregeln schon primär durch „Social Distancing“ aufgefallen sind. Zwischen diese Herrschaften und jene echten Menschen, die man als Volk bezeichnet, passt leider mehr als ein Babyelefant.