Wie Corona zum Trotz kennen die Quallen weder Reisebeschränkungen noch Abstandsregeln. In Schwärmen von Zigtausenden bevölkert eine der größten Arten im Mittelmeer, die Lungenqualle (Rhizostoma pulmo), seit geraumer Zeit die Küste des Golfs von Triest. Als weiß-rosa Teppich formieren sich die Medusen in höchster Konzentration vor allem direkt an den Ufern von Triest, ganz besonders gegenüber der berühmten Piazza dell’Unità, dem größten offenen Platz Europas zum offenen Meer hin.


Die Triestiner verfolgen den prominenten Auftritt einerseits mit Argwohn, andererseits mit Interesse und Faszination. Als einer der ältesten Meeresorganismen sind Quallen zwar seit Millionen Jahren in den Weltmeeren existent. Invasionen werden seit den vergangenen 20 Jahren auch an der Oberen Adria zunehmend beobachtet. Doch die derzeitige Fülle und Dauer des in der Fachsprache „Quallenblüte“ genannten Phänomens ist außergewöhnlich.

Was steckt dahinter?

Die Masse der Quallen bringt Meeresbiologen und die Bevölkerung in Dialog miteinander. Denn alle wollen von den Wissenschaftlern wissen, was hinter diesem Phänomen steckt. Valentina Tirelli, Forscherin am OGS, dem Nationalen Institut für Ozeanografie und experimentelle Geophysik von Triest, hat Erklärungen, diese lassen aber Raum für Spekulationen, denn die Erforschung dieser mysteriösen Meerestiere ist schwierig: „Das Phänomen der Quallenblüte ist komplex und kann viele verschiedene Ursachen haben, die besonders im Klimawandel bzw. im menschlichen Handeln liegen.“


Eine entscheidende Rolle, so die Wissenschaftlerin, spiele auf alle Fälle die Erwärmung des Wassers. „Sie fördert die Fortpflanzungsaktivität, mit ihr die stark zunehmende Vermehrung und somit auch die Größe und Häufigkeit solcher Quallenblüten“, sagt Tirelli. Die Überfischung wiederum sorge für größere Nahrungszufuhr und das stärkere Gedeihen der Quallen, die sich ihr Planktonfutter mit immer weniger Fischen teilen müssten. „Wir dürfen dies als Warnung an unser umweltverantwortliches Handeln verstehen, allerdings nicht als ernste Bedrohung.“


Ausschlaggebend für die aktuelle, alle Dimensionen der Vorjahre sprengende Situation sei auch der recht milde Winter, des Weiteren die Winde, ganz speziell die Bora, und die Strömungen, die die Tiere an die Ufer gespült haben.

Das sind die sogenannten Lungenquallen
Das sind die sogenannten Lungenquallen © Regina Rauch-Krainer


Tirelli freut sich besonders über einen positiven Effekt, den die Invasion der schwimmenden Quälgeister hat. Mit der von ihr initiierten und betreuten Smartphone-Anwendung „AvvistAPP“ ruft ihr Institut mit großem Erfolg zur „Citizen Science“, der Mithilfe von Amateuren zur Erforschung des Phänomens, auf. Interessierte schicken ihre Quallenporträts über die App an die Forscher und leisten damit einen großen Beitrag zur schwierigen Ortung und Fortbewegungsanalyse der Meereswesen.


Auch wenn es zusätzlich ein kleiner Trick sein mag, die Koexistenz der Triestiner mit den Quallen erträglicher zu machen, sagt Touristenguide Paola Alzetta: „Wir hoffen, die Medusen werden uns in Kürze verlassen und die Touristen werden sehr bald wiederkommen können.“ Die Quallen-Schwärme seien bis jetzt immer wieder verschwunden, stimmt Tirelli zuversichtlich. Und auch Alzetta hat Grund zur Hoffnung.