Der druckfrische erste Teil des neuen Sachstandsberichts des Weltklimarats rüttelt auf. Was wissen wir heute, das wir beim letzten Bericht vor acht Jahren noch nicht wussten?

DOUGLAS MARAUN: Wir können inzwischen in mehreren Bereichen präzisere Angaben machen. Ein Beispiel ist die Klimasensitivität, also die Frage, wie stark sich das Klima ändert, wenn sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre verdoppelt. Um das zu erheben, muss sehr viel Information einfließen, aus Paleo-Klimadaten, aus den Messungen des letzten Jahrhunderts, aus dem theoretischen Verständnis und aus verbesserten Klimamodellen. Bisher galt es als wahrscheinlich, dass sich die Atmosphäre bei verdoppelte CO2-Konzentration um 1,5 bis 4,5 Grad erwärmt. Inzwischen können wir das im neuen Bericht auf 2,5 bis 4 Grad einschränken.

Es fällt auf, dass der Report diesmal einen starken regionalen Fokus hat.

Ja, das ist zum ersten Mal der Fall. Und er setzt sich stärker mit Extremereignissen auseinander und geht der Frage nach, wie sie sich in den einzelnen Weltregionen verändern könnten. Zudem wurde ein interaktiver Atlas erstellt, der zeigt, wie sich die Bedingungen in den Regionen verändert haben und sich in Zukunft verändern werden. Dieses exakte Wissen kann für Entscheidungsträger sehr wertvoll sein. Es gibt neue Modellgenerationen, die zum Beispiel für den Alpenraum zum ersten Mal auch Aussagen über Gewitter treffen können. Das ging bisher nicht, weil die Modelle zu grob aufgelöst waren.

Was kommt diesbezüglich auf uns zu?

Man darf nicht erwarten, dass nichts passiert, wenn wir unter 1,5 Grad Erwärmung bleiben, und darüber wird es ganz dramatisch. Die Intensität von Starkniederschlag steigt mit jeder weiteren Erwärmung, jedes zehntel Grad weniger wäre jetzt wichtig. Dürren werden noch trockener, Hitzewellen noch heißer.

Erwarten Sie, dass die Politik angesichts der Detailtreue des neuen Berichts aufgerüttelt wird?

Als IPCC-Autor ist es nicht meine Aufgabe, politische Empfehlungen abzugeben. Aber natürlich hoffe ich, dass der Bericht beachtet und ernst genommen wird. Ich denke, die gesellschaftliche Situation ist dafür recht günstig, wenn man sich etwa die "Fridays for Future"-Bewegung ansieht.

Sind Extremereignisse wie die aktuellen Waldbrände in Südeuropa auch eine Chance auf mehr Aufmerksamkeit für das Klima-Thema?

Natürlich untermauern solche schlimmen Ereignisse die Dringlichkeit des Themas. Sie entsprechen ja im Wesentlichen auch dem, was wir erwarten.

Ehrlich gesprochen: Glauben Sie, dass das 1,5-Grad-Ziel noch erreicht wird?

Es geht ja nicht nur darum, genau dieses Ziel zu erreichen. Auch wenn wir am Ende auf dem 2-Grad-Ziel landen, ist das immer noch deutlich besser als eine um 3 Grad wärmere Welt. Zum Beispiel erwarten wir für das Jahr 2300 einen Meeresspiegelanstieg von maximal etwas mehr als drei Metern, wenn die Welt das 2-Grad-Ziel einhält. Läuft der Treibhausgasausstoß aber völlig ungebremst weiter, sind es bis zu sieben Meter. Wenn dann auch noch das westantarktische Eisschild kollabieren sollte, was sehr unwahrscheinlich aber nicht unmöglich ist, haben wir einen Anstieg von bis zu 15 Metern.