Schönborn wies darauf hin, dass im Fall der Missbrauchsvorwürfe gegen den Wiener Erzbischof Kardinal Hans-Hermann Groer 1995 der damalige Kardinal Joseph Ratzinger ein entschiedenes Vorgehen gefordert hatte: „Im Fall meines Vorgängers war Kardinal Ratzinger in Rom unsere Stütze“, sagte er Freitagfrüh zu Ö1.

Bezüglich des in der Vorwoche veröffentlichten Gutachtens über den Umgang mit Missbrauchsfällen in der Erzdiözese München und Freising betonte der Erzbischof von Wien: „Ich glaube, was jetzt notwendig ist, ist die Umsetzung in die Praxis. Das ist ein Rechtsgutachten, keine Handlungsanweisung.“ Das Wichtigste sei die Prävention. Insgesamt gab sich Schönborn bezüglich des künftigen Umgangs mit Missbrauchsfällen in der Kirche zuversichtlich: „Ich glaube, sagen zu können, es wird nicht mehr vertuscht werden. Es darf nicht mehr vertuscht werden.“

Versäumnisse der Diözese

Die Münchner Rechtsanwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) hatte am 20. Jänner im Auftrag der Erzdiözese München und Freising ein Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen in der Diözese zwischen 1945 und 2019 vorgelegt. Dieses war gegenüber der Diözesanführung sehr kritisch und warf mehreren Erzbischöfen, darunter auch dem amtierenden Diözesanoberhaupt Reinhard Marx, Versäumnisse und Untätigkeit vor.

Ratzinger involviert

Besonderes Aufsehen erregten dabei die Vorwürfe des Gutachtens gegen Benedikt, der von 1977 bis 1982 Erzbischof von München gewesen war. Insbesondere ging es dabei um die Frage, ob Ratzinger 1980 in die Entscheidung um die Einsetzung des aus der Diözese Essen stammenden Missbrauchstäters Peter H. in der Seelsorge direkt involviert war. Während Benedikt in einer den Gutachtern abgegebenen Stellungnahme behauptete, er sei bei der entscheidenden Sitzung nicht dabei gewesen, wies die Kanzlei durch Vorlage des Sitzungsprotokolls nach, dass der Erzbischof sehr wohl anwesend gewesen war. Der 94-jährige Benedikt, der seit seinem Amtsverzicht 2013 zurückgezogen im Vatikan lebt, korrigierte daraufhin im Nachhinein seine Aussage.