Experten haben die angekündigten Pläne zum Stopp der Entwaldung bis 2030 beim UN-Klimagipfel in Glasgow teilweise mit Skepsis aufgenommen. Eine ähnliche Erklärung aus dem Jahr 2014 habe sich als vollkommen wirkungslos erwiesen, sagte der Klima- und Waldexperte Simon Lewis vom University College London der BBC am Dienstag.

"Es ist eine gute Nachricht, dass sich so viele Länder politisch dazu verpflichtet haben, die Entwaldung zu beenden, und dass erhebliche Mittel zur Verfügung stehen, um auf diesem Weg voranzukommen", so Lewis. Die Welt sei aber bereits vor Jahren schon an diesem Punkt gewesen.

Problem: Rodung für Fleischproduktion

Die neue Abmachung gehe auch nicht das Problem der wachsenden Nachfrage nach Produkten wie Fleisch an, die auf gerodeten Regenwaldflächen produziert werden. Dazu müsse der hohe Fleischkonsum in Ländern wie den USA und Großbritannien thematisiert werden, fügte Lewis hinzu.

Der Ökologe Nigel Sizer vom World Resources Institute (WRI) bezeichnete die Abmachung als "große Sache", schränkte aber ein, die Zielmarke von einem Ende der Entwaldung bis 2030 könne als "enttäuschend" wahrgenommen werden.

Mehr als 100 Staaten

Vom Weltklimagipfel (COP26) in Glasgow war am späten Montagabend eine erste Vereinbarung gemeldet: Mehr als 100 Staaten haben sich verpflichtet, die Zerstörung von Wäldern und anderen Landschaften bis 2030 zu stoppen. Dies gab die vorsitzführende britische Regierung bekannt. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hatte zuvor beim feierlichen Auftakt vor einem Versagen der Menschheit im Kampf gegen die Erderwärmung gewarnt: "Wir schaufeln uns unser eigenes Grab", sagte er.

Auch Brasilien dabei

Die an der Vereinbarung zum Schutz der Landschaften beteiligten Länder, darunter Deutschland und die gesamte EU, repräsentieren 85 Prozent der weltweiten Waldfläche, also etwa 34 Millionen Quadratkilometer. Mit dabei sind die Staaten mit den größten Wäldern überhaupt, also Kanada, Russland, Brasilien, Kolumbien, Indonesien sowie China, Norwegen und die Demokratische Republik Kongo. Für das Vorhaben werden bis 2025 etwa 12 Milliarden US-Dollar (10,3 Milliarden Euro) an öffentlichen Geldern mobilisiert. Hinzu kommen 7,2 Milliarden US-Dollar (6,2 Mrd. Euro) private Investitionen.

Wälder gelten als die Lunge unseres Planeten, sie nehmen etwa ein Drittel der jährlich vom Menschen ausgestoßenen CO2-Emissionen auf. Doch schrumpfen sie bedenklich, wie es in der Mitteilung weiter hieß: Jede Minute gehe eine Fläche von etwa 27 Fußballfeldern verloren.

Mehr Tempo eingefordert

Guterres hatte beim feierlichen Auftakt vor Dutzenden Staats- und Regierungschefs - darunter Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) - gemahnt, dass sämtliche zugesagten Anstrengungen beim Klimaschutz hinten und vorne nicht ausreichten, um eine Katastrophe abzuwenden.

Auch die scheidende deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte mehr Tempo beim Klimaschutz und warnte vor "verheerenden Auswirkungen" der Erderwärmung. "Wir sind nicht da, wo wir hinmüssen", sagte sie. Nötig für die unumgängliche "umfassende Transformation" unseres Arbeitens und Wirtschaftens sei ein weltweiter Preis auf den Ausstoß von Kohlendioxid.

US-Präsident Joe Biden bat vor dem Plenum um Entschuldigung für den Rückzug seines Vorgängers Donald Trump aus dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015. Trump hatte daran gezweifelt, ob der Klimawandel überhaupt menschengemacht ist - solche Zweifel sind wissenschaftlich klar widerlegt. Nun sagte Biden, Glasgow müsse der Startschuss für ein "Jahrzehnt des Ehrgeizes und der Entschlossenheit sein". Und die USA wollten mit gutem Beispiel vorangehen.

Subventionen für fossile Brennstoffe streichen

Guterres verlangte, alle Regierungen müssten ihre Subventionen für fossile Brennstoffe wie Öl, Gas und Kohle abschaffen, aus der Kohle aussteigen und einen Preis für sämtliche Treibhausgas-Emissionen festlegen. "Es ist an der Zeit, zu sagen: Genug", sagte Guterres. "Genug brutale Angriffe auf die Artenvielfalt. Genug Selbstzerstörung durch Kohlenstoff. Genug davon, dass die Natur wie eine Toilette behandelt wird."

Wie Russlands Staatschef Wladimir Putin nahmen auch der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan und Chinas Präsident Xi Jinping nicht persönlich an der Konferenz teil.

Etwas konkreter wurden dagegen Indien und Brasilien: Premierminister Narendra Modi nannte vor dem Plenum erstmals ein Ziel für die Klimaneutralität seines Landes: Bis 2070 will das bevölkerungsreiche Land nur noch so viel klimaschädliche Emissionen ausstoßen, wie etwa in Senken wie Ozeanen und Wäldern aufgenommen werden können. Das ist das obere Limit, das der Weltklimarat (IPCC) für weltweite Klimaneutralität angegeben hat, damit das Leben auf dem Planeten Erde noch lebenswert bleibt.

Der international für seine Umweltpolitik hart kritisierte brasilianische Staatschef Jair Bolsonaro kündigte zum Beginn der COP26 - in einer Videobotschaft - die Verschärfung des Klimaziels an. Die Treibhausgasemissionen des Landes sollen bis 2030 im Vergleich zu 2005 halbiert werden. Bisher war eine Reduktion um 43 Prozent vorgesehen. Außerdem sicherte Umweltminister Joaquim Leite zu, dass auch Brasilien bis 2050 Kohlenstoffneutralität erreichen will - und zwei Jahre früher als bisher vorgesehen, nämlich bis 2028 illegale Abholzungen im Amazonasgebiet vollständig unterbunden werden sollen.

Viele Länder streben - so wie die EU - streben Klimaneutralität bis 2050 an, China hat 2060 ins Auge gefasst.

Pläne von Paris reichen nicht aus

Die Erde hat sich im Vergleich zum vorindustriellen Niveau schon jetzt um etwa 1,1 Grad erwärmt; in Deutschland sind es bereits 1,6 Grad. In Paris hatte sich die Staatengemeinschaft vor sechs Jahren darauf geeinigt, die Erderwärmung möglichst auf maximal zwei Grad, besser 1,5 Grad, zu begrenzen. Bisher reichen die eingereichten Pläne der Staaten dazu aber bei weitem nicht aus.

Grönland spürt den Klimawandel ganz besonders - Teil des Weltklimaabkommens von Paris war es bisher aber nicht. Damit ist nun voraussichtlich Schluss: Die größte Insel der Erde verabschiedet sich von einem territorialen Vorbehalt und will sich somit dem 2015 geschlossenen Abkommen anschließen.