Als ein Australier 2015 beim Surfen in Südaustralien von einem Weißen Hai angegriffen wurde, ging es um Leben und Tod. Der Raubfisch hatte Chris Blowes ein Bein abgerissen und der junge Mann drohte zu verbluten. Rettungskräfte mussten ihn während des Transports ins Krankenhaus nach Adelaide mehrmals wiederbeleben, nachdem er immer wieder das Bewusstsein verlor.

Sein Surfbrett wurde später am Strand angespült und von der Polizei aufgesammelt. Tief im Brett steckte ein Zahn seines Angreifers. Diesen entfernte die Polizei und übergab ihn ans Fischereiministerium. „Ich habe ein paar Mal versucht, den Zahn zurückzubekommen“, berichtete Chris Blowes dem australischen Sender ABC. Doch die Behörden wollten den Zahn nicht herausgeben.

Per Gesetz geschützt

Dahinter steckt, dass es laut Gesetz in Australien illegal ist, den Körperteil einer geschützten Tierart zu besitzen, zu verkaufen oder zu kaufen. Solch ein Vergehen kann mit einer Geldstrafe von bis zu 100.000 Australischen Dollar, umgerechnet rund 64.000 Euro, oder einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden.

Zunächst erschien ihm das „lächerlich“, meinte der Australier. Schließlich habe der Hai sein Bein gefressen und der Zahn steckte in seinem Surfbrett fest. „Aber so ist das Gesetz.“ Blowes wollte sich damit aber nicht zufriedengeben und bemühte sich sechs Jahre lang, den Zahn in seinen Besitz zu bekommen. Diese Woche entschied der zuständige Minister nun endlich, dem Haiopfer eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen und ihm den Zahn als Andenken zu überreichen.

„Kein fairer Tausch“

Blowes, der seit dem Angriff ein Buch geschrieben hat und als Motivationssprecher auftritt, sagte der lokalen Tageszeitung Adelaide Advertiser, dass er den Zahn aufheben werde, „um ihn meinen Kindern und Enkeln zu zeigen“. Außerdem plant er, den Zahn auch zu öffentlichen Auftritten mitzunehmen. Auch wenn er empfindet, dass er einen hohen Preis für sein „Souvenir“ bezahlt hat. „Es ist kein fairer Tausch, ein Bein für einen Zahn“, sagte er.

Dave Pearson, der ebenfalls einen Hai-Angriff überlebt hat und die Facebook-Gruppe mit dem Namen „Bite Club“ betreibt, in der sich Opfer austauschen können, erklärte der ABC, dass viele Opfer die Gefühle von Blowes nachvollziehen könnten. „Chris hat einen enormen Preis für den einen Zahn gezahlt”, sagte er. „Für ihn ist es nicht nur ein Zahn, es ist ein Andenken daran, dass er sein Bein verloren hat.“ In gewisser Weise würde dies eine gewisse Verbindung zu dem Hai schaffen, der ihn angegriffen habe.

2020: „Perfekter Sturm“ für Hai-Angriffe

In Australien kommt es immer wieder zu Haiattacken. 2020 war dabei eines der bisher schlimmsten Jahre. Laut des Shark Attack File des Taronga Zoos kam es zu 26 Angriffen und acht Todesfällen. Bereits 2017 hatte die Meeresbiologin Blake Chapman in einem Aufsatz im Wissenschaftsmagazin The Conversation geschrieben, dass die Bedingungen in Australien einen „perfekten Sturm“ für Haiattacken bieten würden. Zum einen würden Australier das Meer lieben und 85 Prozent der Menschen würden in der Nähe der Küste leben. Zum anderen habe Australien die größte Anzahl an Haiarten – rund 180 der über 500 Haiarten leben in den Gewässern rund um den fünften Kontinent. Von den 26 Haiarten, die dafür bekannt sind, auch Menschen zu beißen, kommen 22 in australischen Gewässern vor. „Alle elf Spezies, von denen wir wissen, dass sie tödliche, nicht provozierte Bisse bei Menschen verursacht haben, lassen sich in Australien finden“, schrieb Chapman. Vor allem die drei „tödlichsten“ Arten seien in Australien beheimatet, nämlich Weiße Haie, Tigerhaie und Stierhaie.

Dass die Haiaktivität 2020 sogar nochmal höher als normal war, könnte mit dem Wetterereignis La Niña zusammenhängen, das mit kühleren Meeresoberflächentemperaturen im Zentralpazifik verbunden ist, wie Chapman im vergangenen Jahr gegenüber der australischen Ausgabe des Guardian erklärte. La Niña bringe zum Beispiel migrierende Lachse ins Küstennähe – und Haie wiederum folgen laut der Forscherin dieser für sie typischen Beute. Auch in früheren Jahren habe man deswegen bereits „eine kleine Zunahme von Haibissen“ bemerkt, sagte die Wissenschaftlerin.