Seit dem Ursprung der Menschheit waren wir unterwegs. Man könnte sogar argumentieren, dass unser Drang nach Mobilität erst unseren Erfolg in der Evolution sicherstellte. Raus aus den Dünen Afrikas ab ins durchaus habitable Mesopotamien, und dann uns über den ganzen Globus verteilend, haben wir den Planeten erobert. Unser Drang nach Mobilität macht aber nicht mal hier auf unserem Planeten halt, als nächstes sind die Sterne dran. Nun sind wir zum ersten Mal an einem Punkt angekommen, an dem wir uns die Frage stellen können: Wie viel Mobilität brauchen WIR eigentlich noch?

Fliegen kostet 30,- € pro Ticket, ein Auto kann sich auch fast jeder leisten. Mobilität ist kein Elitenprivileg – obgleich wir in diesem Kontext sicherlich eine eurozentristisch geprägte Sicht haben. Und so ist das Mobilitätsbedürfnis und auch der Zugang über den Globus stetig gestiegen. Durch die Lockdowns im Jahre 2020 und 2021 ist die Mobilität zumindest kurzzeitig maßgeblich reduziert worden. Wir saßen alle zu Hause, langweilten uns, waren höchstens bis zum nächsten Supermarkt unterwegs.

Gemeinsam auf dem Pausenknopf stehend konnten wir uns endlich die Frage stellen: Wie viel Mobilität brauche ICH, um glücklich zu sein?
Alle paar Jahre ein neues Auto, alle paar Wochen einen Flug – ist das wirklich notwendig? Vor allem für die Großstädter ist dadurch einiges an Katharsis entstanden. Das Auto für jede Strecke ist wirklich nicht zielführend, wenn es um kurze Distanzen geht. Kein Zufall, dass man mittlerweile kaum mehr ein Fahrrad erwerben kann. So ausgelastet war diese Branche gefühlt noch nie. Wir bemerken, dass Mobilität ein zutiefst persönliches Thema ist.

Manche Menschen bevorzugen Bus- und Bahnfahren, weil sie dann in Frieden auf ihr Smartphone starren können. Zu behaupten, öffentliche Verkehrsmittel sind de facto tot, weil wir solche Angst vor den mitfahrenden Virenschleudern haben, ist etwas zu linear gedacht. In den asiatischen Ländern konnte man sehr schön sehen, wie es nach einer Epidemie bald wieder die berüchtigten „U-Bahn Quetscher” – Bahnbeamte, die die riesigen Menschenmassen mit Samthandschuhen in die Metro schieben, damit die Türen zugehen – brauchte. Auch eine Pandemie kann besiegt werden – virologisch sowie psychologisch.
Es ist abzusehen, dass Mobilität immer komplexer, mit immer mehr verschiedenen Geräten wird. Von E-Scooter bis Flugtaxis, benötigt es vor allem eine immer stärkere Vernetzung zwischen den verschiedenen Dienstleistern. Wenn man fünf verschiedene Apps braucht, um von A nach B zu kommen, kann man jemandem das Auto weit schwieriger absprechen. Die Bedürfnisse werden individueller, die Technologien auch – so gesehen steht dem polymobilen Zeitalter nichts im Wege.

Eine Dynamik, die sich auch mit dem Ende der Pandemie nicht umkehren lassen wird, ist die Debatte über das Klima. Die Mobilität ist leider ein großer Sündenbock in der Diskussion um die Erderwärmung geworden. Böser Diesel, noch böseres Fliegen, eigentlich sollte man alles zu Fuß erledigen. Das ist zwar schön und gut, aber keine zukunftsfähige Vision. Das Bedürfnis nach Mobilität ist einfach zu tief in uns verankert, deswegen spaltet sich entlang dieser Frage so viel. Dabei ist das Ganze doch so einfach. Mit neuen Technologien werden wir Lösungen hinkriegen. Natürlich braucht es auch einen Willen zur Verhaltensveränderung, aber wenn die Angebote passen, ist das kein Problem. Niemand hängt emotional am Geruch von Benzin, sondern will einfach nur entspannt an sein Ziel, ohne sich Sorgen machen zu müssen, ob es sich mit der Batterie ausgeht, weil die Ladeinfrastruktur noch nicht so weit ist. Ob Elektrische Antriebe nur eine Übergangstechnologie sind, und es zuletzt die Brennstoffzelle oder Wasserstoff wird, ist dem Konsumenten am Ende des Tages egal – so lange es ökologisch vertretbar ist.

Convenience ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn das dann noch leistbar ist, haben wir die Mobilitätswende vollzogen. Wir schaffen es, innerhalb eines Jahres einen Impfstoff gegen ein neues Virus herzustellen, aber nicht über 20 Jahre unsere LKWs, Autos und Flugzeuge mit anderen Antrieben auszustatten? Das erscheint mir etwas gar pessimistisch. Wenn wir eine Diskussion über ökologische Antriebe für unsere Raketen zur Mars-Station führen, sind wir endlich in der Zukunft angekommen. Bis dahin blähen wir die Gegenwart mit Scheindiskussionen auf. Nachhaltige, individuelle Mobilität wird kommen, wir stecken schon mitten im Wandel. Zurück in die Welt von vor Corona geht es sowieso nicht mehr. Wer doch Erdöl schnüffeln möchte, soll das bitte in seinen eigenen vier Wänden tun.

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