Der Begriff Überraschungseffekt ist hier wohl untertrieben. Stellen Sie sich vor: Sie haben gerade eine Wohnung gekauft, aber Sie richten Sie nicht selbst ein, sondern jemand anderer übernimmt das für Sie. Küche, Bad, Schlaf- und Wohnzimmer, einfach alles. Und wie im Fernsehen dürfen Sie das Ergebnis erst sehen, wenn alles fertig ist. Vorher-Nachher, kein Einspruch, kein Aber, sondern vollendete Tatsachen. "Die Reaktionen in meinem Freundeskreis reichten von 'Wow' bis 'wie kannst du das aus der Hand geben?'", erzählt Roswitha Riepl, die dieses Experiment mit dem Wiener Concept- und Interieur-Designer Petre Ognjanovski wagte.

"Fixfertige Heimat"

"Vorweg: die Geschichte ist großartig ausgegangen", verrät sie. Seit Anfang Dezember 2020 leben Riepl und ihr Sohn Adrian nun in der Wohnung. Fazit: "Ich dachte damals, dass die Möbel montiert und aufgestellt sind – was ich vorgefunden habe, war eine fixfertige Heimat. Es war alles an seinem Platz."

Doch spulen wir noch einmal zurück. Am Beginn stand der Entschluss der Psychotherapeutin und Organisationsberaterin aus der kostspieligen 150 Quadratmeter-Mietwohnung in einer Jugendstilvilla am Rande Wiens auszuziehen und in eine Eigentumswohnung zu investieren. Die Wahl fiel auf etwas deutlich Kleineres – eine 60 Quadratmeter große Wohnung, mit überdachter Terrasse und großem Garten in einem Wiener Außenbezirk mit Nähe zu einem Badesee.

Roswitha Riepl hatte Mut
Roswitha Riepl hatte Mut © Sabine Klimpt


Es folgte, was viele nur allzu gut kennen – eine Odyssee durch Möbelhäuser und Einrichtungsstudios. "Mir haben einzelne Stücke gefallen, ich konnte sie mir aber nicht gemeinsam vorstellen. Bei der Küche war es dann ganz aus." Eines Abends klagte die Neo-Wohnungsbesitzerin einer Freundin ihr Leid, diese nennt ihr Petre Ognjanovski, er liefere "alles aus einer Hand". "Ich dachte, dass er das nie machen wird, weil ich ihn gegoogelt und gesehen habe, dass er sonst Luxuswohnungen oder Villen einrichtet."Doch Riepl springt über ihren Schatten und schickt spätabends eine E-Mail. Die Eckpunkte: kleine Wohnung, Budget 35.000 Euro für alles, trotzdem Interesse? Fünf Minuten später hat sie eine Antwort im Posteingang: "Spannend. Treffen wir uns auf der Baustelle?"

Es folgen drei Treffen, um sich kennenzulernen und "aufeinander einzuschwingen", eine Menge E-Mails und eine Vielzahl von Telefonaten. "Man tastet sich einfach heran. Was gefällt? Was gefällt nicht?", sagt Petre Ognjanovski, der sich selbst als "Design-Kurator" sieht. "Es geht darum, einen Platz zum Wohlfühlen zu schaffen."

Interieur-Designer Petre Ognjanovski
Interieur-Designer Petre Ognjanovski © Sentup

Bücherregal unter der Decke

Roswitha Riepl muss beispielsweise einen Katalog mit jenen Dingen erstellen, die sie gerne aus ihrer alten Wohnung mitnehmen würde. So wurde auch der alte Nähtisch zur passenden Unterlage für die Feuerstelle im Wohnzimmer. "Roswitha hat viele Bücher, an denen sie hängt. Nun ist das schwierig, wenn man von einer größeren in eine kleinere Wohnung zieht." Gemeinsam fand man die Lösung, ein Bücherregal unter der Decke durchzuziehen.

Doch als der Interieur-Designer erklärt, dass Roswitha Riepl die Schlüssel für die leere Wohnung übergeben soll, sie aber erst zehn Tage später sehen darf, wenn alles fertig eingerichtet ist, muss sie doch schlucken. Ob das gut geht? Aber als sie das Ergebnis sieht, ist sie begeistert. "Es war alles da. Mein Umzug brauchte drei Wagenladungen." Sogar an Bettwäsche, Handtücher, Geschirr und Besteck hatte der Interieur-Designer gedacht. "Mein Sohn und ich mussten nur noch unsere Zahnbürsten holen."