Ein blauer Vogel sitzt auf einem Plateau, knapp vor einer steilen Böschung. Er spannt seine Flügel, als wolle er gerade fortfliegen. Der Eindruck entsteht unweigerlich, wenn man sich dem blauen Haus mit dem Zwillingssatteldach von der erhöhten Straße aus nähert. Jetzt im Winter ist der Neubau gerade noch so zu sehen. Wenn aber der Frühling sein Grün in die Landschaft webt, wird der „Vogel“ hinter hohen Bäumen verschwinden. Auch das Blau der Außenfassade wird dann langsam sattgrünen Kletterpflanzen weichen.

Kommt man dem Haus näher, wird man überrascht. Denn der vermeintliche blaue Anstrich ist eine Plane, eine Folie, wie sie auch bei Lkw Verwendung findet. In breiten, miteinander verschweißten Bahnen ummantelt sie den Neubau. Darunter steckt ein Holzbau mit hinterlüfteter Fassade, der durch ein Zwischenstück mit einem weiteren Gebäude verbunden ist - einer alten Busgarage mit Satteldach. Sie wurde renoviert und optisch so mit dem Neubau verbunden, dass die zwei neuen Satteldächer die gleiche Firstrichtung aufweisen.

Frisch eingezogen

Seit Ende Oktober bewohnen Sandra und Florian Scholz mit Sohn Paul das Haus. Im Inneren herrscht eine wohlige Atmosphäre. Dafür sorgt unter anderem der Baustoff Holz. Im Stiegenaufgang und im gesamten Obergeschoß wurden OSB-Platten verwendet, die aus Holzresten und recyceltem Holz hergestellt werden. Die natürliche Optik gefiel der jungen Familie so gut, dass die Platten nicht gestrichen wurden.

Öffnungen in den Wänden und der Decke lassen das Tageslicht herein und erlauben Ausblicke in den noch verbliebenen Dachraum. Zu ebener Erde bildet nur das Arbeitszimmer einen abgetrennten Bereich. Der Rest der Wohnfläche ist ein großer offener Raum, in dem Küche, Ess- und Wohnbereich ineinander übergehen. Hier dominiert Sichtbeton, der sich optisch gut mit dem Gussasphalt auf dem Boden verträgt. Raumhohe Fenster geben den Blick auf den Wald frei. Wie digitale Bilderrahmen fangen sie den sich ständig verändernden Naturraum vor dem Haus ein.

Meisen, Spechte und ein Reh

In der warmen Jahreszeit stehen die Fenster offen und der Wohnraum wird um die ausladende Terrasse vergrößert. Weit über die Böschung ragt sie hinaus. Teils kommt sie den umliegenden Bäumen so nahe, dass man nur die Hand nach ihnen auszustrecken braucht. Die tierischen Nachbarn jedenfalls behandeln den blauen Neuankömmling, als wäre er schon immer da gewesen. Manchmal schaut auch ein Reh im Garten vorbei.

Nicht zuletzt: Während der Bauphase war Paul, der Baumeister mit der Kinderbohrmaschine, schwer am Helfen. Jetzt bewohnt er das größte Zimmer im Obergeschoß mit einem riesigen, schräg stehenden Fenster - die geheime „Kommandozentrale“ des Hauses, ohne Zweifel.