Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat die Beschlüsse der Europäischen Zentralbank (EZB) zum geldpolitischen Ausblick auf der Zinssitzung am Donnerstag nicht mitgetragen. Ihm sei "die potenziell zu lange Fortschreibung des Niedrigzinsumfelds zu weitgehend", sagte er in einem am Freitag vorab veröffentlichten Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ, Samstagsausgabe).

Grundsätzlich herrsche im EZB-Rat aber Einigkeit, dass eine expansive Geldpolitik zur Zeit angemessen sei. Weidmanns Ratskollege Pierre Wunsch, der Belgiens Notenbank leitet, hatte den Ausblick ebenfalls abgelehnt. Auch aus seiner Sicht legt sich die EZB damit vorab zu stark fest.

Inflationsziel wurde geändert

Die Anpassung des Zinsausblicks war notwendig geworden, nachdem sich die Euro-Wächter vor zwei Wochen im Zuge ihres Strategie-Checks ein neues Inflationsziel gesetzt hatten. Die EZB strebt nun mittelfristig zwei Prozent Teuerung an. Bisher hatte das Ziel auf knapp unter zwei Prozent gelautet. Die Euro-Wächter wollen unter anderem nun ihre Leitzinsen solange auf dem aktuellen oder einem noch tieferen Niveau halten, bis zu sehen ist, dass die Inflation zwei Prozent erreicht und dann erst einmal so bleibt.

Weidmann äußerte sich in dem Interview auch zur Entwicklung der Inflationsrate. Er rechnet mit einem starken Anstieg der Teuerung in der nächsten Zeit. "Meine Fachleute erwarten etwa für Deutschland zum Jahresende 2021 Raten, die in Richtung fünf Prozent gehen könnten", sagte er. Dabei seien aber vor allem vorübergehende Effekte am Werk. Längerfristig müsse man die unterschiedlichen Faktoren dennoch "genau im Auge behalten".

Für den gesamten Euroraum geht die EZB bisher für dieses Jahr von einer Inflationsrate von 1,9 Prozent aus. Sie erwartet zudem in den nächsten Monaten weiter anziehende Preise. Für das nächste Jahr rechnet sie bisher allerdings mit einer wieder schwächeren Rate von 1,5 Prozent gefolgt von 1,4 Prozent im Jahr 2023.