Rund 250 Stunden hat der 23-jährige Student Michael seit Mitte März in Call of Duty: Warzone verbracht. Dort ist er aber nicht alleine. Normalerweise spielt er lieber Singleplayer-Spiele, aber seit dem Ausbruch der Pandemie haben es ihm Online-Multiplayer-Spiele angetan. Über den Sprachdienst Discord verbunden, erlebt man den virtuellen Krieg gemeinsam. Zur Freude der Hersteller.

Activision Blizzard, der neben Call of Duty auch World of Warcraft oder Candy Crush vertreibt, hat im vergangenen Quartal im Jahresvergleich seinen Umsatz etwa um 38 Prozent erhöht und 1,93 Milliarden Dollar (1,6 Milliarden Euro) verdient. Auch bei Take-Two Interactive, dem Konzern hinter Spielen wie Grand Theft Auto oder Red Dead Redemption, stieg der Umsatz um 54 Prozent auf 831,3 Millionen Dollar. Zum Krisengewinner schlechthin avancierte aber Nintendo mit dem Spiel Animal Crossing: New Horizons. Die Lebenssimulation wurde während der Ausgangsbeschränkung zur wichtigen sozialen Plattform, in der auch Begräbnisse und Hochzeiten gefeiert wurden. Bisher verkaufte sich das Spiel über 22 Millionen Mal.

Die Zukunft der Gaming-Industrie

Natalie Denk, die Leiterin des Zentrums für angewandte Spieleforschung an der Donau-Universität Krems glaubt, dass Spiele bald auch vermehrt durch ein Netflix-ähnliches Abo-Modell verkauft werden. Man bezahlt einen Fixpreis und erhält eine bestimmte Anzahl von Spielen. Mittlerweile werden auch immer mehr Nichtspieler zu Spielern, dadurch gewinnt der gesellschaftliche Status von Videospielen an Anerkennung dazu. Sogar von der WHO, die Videospiele in der Regel eher kritisch sieht, wurde nach dem Corona-Ausbruch die Kampagne #PlayApartTogether gestartet. Diese soll motivieren, zu Hause zu bleiben. Und dort virtuell gemeinsam zu spielen.

Endzeitstimmung, Dystopie, Isolation – Themen, die in Videospielen schon immer beliebt waren, rückten in den letzten Monaten ins breite Bewusstsein. „Ich glaube, man beschäftigt sich vor allem gerne mit solchen Themen, wenn man selbst in einer ähnlichen Situation ist. Man kann ausprobieren was passieren könnte. Das ist ein Verarbeitungsprozess,“ meint die Expertin Denk. Besonders stark nachgefragt ist in Wochen wie diesen auch das 2012 veröffentlichte Spiel Plague Inc., in dem die Weltbevölkerung möglichst realitätsnah mit einem Virus infiziert wird. In China avancierte es schnell zum meistverkauften Spiel im App Store, bis es schließlich von der Regierung verboten wurde.

Virtueller Hörsaal

Wieder entdeckt wurden während des Lockdowns auch alte Brettspiele und Kartenspiele in digitaler Form. Scrabble, Schnapsen, aber vor allem Schach erfreuen sich im Internet großer Beliebtheit. Die Informatikerin Johanna Pirker von der TU Graz kann sich dennoch nicht vorstellen, dass Brettspiele von ihren digitalen Versionen gänzlich abgelöst werden. Vor allem mit Freunden oder im familiären Rahmen seien diese nicht zu ersetzen. Pirker selbst nutzt die Streaming-Plattform Twitch.tv, die eigentlich zum übertragen von Videospielen verwendet wird, für ihre Lehre. „Im letzten Semester habe ich angefangen meine Vorlesungen auf Twitch zu streamen. In Kursen wo normalerweise 40 Studierende saßen, schauten online plötzlich bis zu 500 zu und manche wollten die Übungen mitmachen.“

Auch digitale Lernmethoden wurden zuletzt immer wichtiger. Die Assistenzprofessorin und Spielentwicklerin Pirker hat sich schon in ihrer Dissertation mit virtuellem Lernen beschäftigt und hofft, dass durch die Pandemie die vielen Vorteile davon erkannt werden. „Bis das Potenzial in diesem Bereich voll ausgeschöpft wird und man spielerisch Wissen vermittelt, wird es wohl noch dauern. Interesse von Studierenden und Lehrenden ist aber klar vorhanden.“