Hoch oben im Grazer Herbsthimmel baumelt die Wohnzimmerwand an einem Stahlseil. Mit präziser Fingerfertigkeit steuert der Kranführer das gut 25 Quadratmeter große Teil Richtung Montageplatz im ersten Stock des Rohbaues. Wenige Minuten später ist die 40 Zentimeter dicke Wand millimetergenau eingepasst und verschraubt.
Zu ebener Erde steht Georg Niedersüß in Gummistiefeln, mit weißem Bauhelm und signalgelber Warnweste, und verfolgt das Treiben mit zufriedenem Blick. „Mir hat das Bauen immer Spaß gemacht“, sinniert der 53-Jährige. Das Talent konnte mit der Begeisterung aber nicht Schritt halten. So hat Niedersüß schließlich Wirtschaft statt Architektur studiert. Heute treffen sich seine beiden Interessensgebiete: Niedersüß ist Geschäftsführer und – über seine J.M. Offner Veranlagungsgesellschaft – Eigentümer der Griffnerhaus GmbH.

Das Verladen nach genauer Reihenfolge auf einen Lkw dauert zwei Tage.
Das Verladen nach genauer Reihenfolge auf einen Lkw dauert zwei Tage. © Jorj Konstantinov

Nichts für Schnäppchenjäger

Auf einem 3500 Quadratmeter großen Grundstück in Mariagrün, einem Villenviertel im Nordosten der steirischen Landeshauptstadt, werden dieser Tage drei dreigeschossige Mehrparteienhäuser errichtet. Je Geschoss eine 115 Quadratmeter-Wohnung mit großzügigem Balkon, Lift und Keller – nichts für Schnäppchenjäger.

Die Holz-Komponenten werden im Werk in Griffen produziert.
Die Holz-Komponenten werden im Werk in Griffen produziert. © Jorj Konstantinov

„Wir wollen nicht Masse produzieren, sondern Premiumqualität mit architektonischem Anspruch, und schlüsselfertig liefern“, skizziert Niedersüß die Strategie seines 110-Mitarbeiter-Unternehmens. „Uns kauft niemand, weil es billig, sondern weil es gut ist“, schiebt er einen werbeslogantauglichen Satz hintennach. Vor ihm, im künftigen Wohnzimmer, stapeln sich Paletten mit Holzwolle, die wie Kork als Isoliermaterial in der Holzkonstruktion zum Einsatz kommt. Regionalität und Nachhaltigkeit stehen im Fokus: Die verarbeiteten Fichten sind aus der Steiermark und Kärnten, das Kiefernholz für den Innenausbau kommt aus Niederösterreich, die Fenster aus dem Burgenland und Niederösterreich. Daraus werden zwei bis drei Häuser pro Woche im Werk in Griffen produziert.

Dort ist nach der Übernahme durch Niedersüß wieder Ruhe und Zuversicht eingekehrt. 2013 hat er den damals schwer ins wirtschaftliche Trudeln geratenen Jauntaler Traditionsbetrieb übernommen. Eine recht spontane Entscheidung.
Niedersüß war damals auf der Suche nach einer Investitionsmöglichkeit. Das Geld stammte aus dem Verkauf der familieneigenen Baumärkte. Es war ein stufenweiser Abschied – und Neustart.

"Adventure Capital"

Nachdem sich bei einem ersten Engagement als Venture Capital-Geber das Geld als flüchtiges „Adventure Capital“ (Niedersüß) erwies, übernahm er schließlich zusammen mit Stefan Jausz den in eine 25-Millionen-Euro-Insolvenz (samt gerichtlichem Nachspiel für den alten Vorstand) geschlitterten Fertighausbauer Griffner Haus mit der Hälfte der damals rund 200 Mitarbeiter.

Georg Niedersüß: „100 bis 120 Häuser pro Jahr zu produzieren, ist unser Ziel“.
Georg Niedersüß: „100 bis 120 Häuser pro Jahr zu produzieren, ist unser Ziel“. © Griffner/KK


Dabei ist es weitgehend geblieben. Abgesehen von einem 22-köpfigen Montageteam arbeiten alle in Griffen im Schatten der Burgruine und neben dem unmittelbaren Autobahnanschluss. Auch hier herrschen die branchenüblichen Lehrlingssorgen. Niedersüß hat aber gute Erfahrungen mit Abgängern aus der landwirtschaftlichen Fachschule: „Die wollen noch einen Beruf erlernen und können das bei uns, aber parallel auch Nebenerwerbslandwirte bleiben.“ Nachsatz: „Ich warte noch auf die erste junge Frau als Lehrling.“ An mangelnder Kraft kann es nicht (mehr) liegen, die Technik erleichtert den Arbeitsalltag auf den Baustellen.
Dort geht man nach akkuraten Ablaufplänen vor. Die Komponenten werden montagefertig per Lkw angeliefert. Wenig später hängen sie am Kran – oder wie auf einer Baustelle in einem Schweizer Bergdorf an einem Hubschrauberseil, um zum richtigen Platz gehievt zu werden.