Waren Sie wie so viele überrascht, dass der Lockdown für Ungeimpfte zwar endet, aber 2G in Handel, Gastro und Hotels bleibt?

HARALD MAHRER: Ich habe seit Ende November im Wochenrhythmus die Frage gestellt, wann der Lockdown für Ungeimpfte endet. Ich war bei diesem superschweren Grundrechtseingriff ein Quälgeist ab der ersten Sekunde. Und weil die Virulenz, der Krankheitsverlauf, bei Omikron anders ist, muss man auch sofort über den Wegfall von 2G zumindest im Handel sprechen. Im Fünfstufenplan der Regierung steht, dass 2G gilt, wenn 500 Intensivbetten belegt sind, ein Lockdown für Ungeimpfte, wenn 600 Intensivbetten belegt sind. Jetzt sind wir unter 200, viele sind mit, aber nicht wegen Covid-19 auf Normalstationen – es ist unzumutbar, wenn der Gesundheitsminister ein Regelwerk aufstellt, das er über Weihnachten vergisst. Es ist nur folgerichtig, sofort von dieser schweren Zwangsmaßnahme wieder Abstand zu nehmen.

Warum dringen Sie und die Sozialpartner bei der Regierung nicht durch?

2G im Handel muss sofort fallen, die Sperrstunde um 22 Uhr zurückgenommen werden, die hat reinen Symbolcharakter. Wir waren bass erstaunt, dass sie das noch nicht machen.

Peter Klimek, der Wissenschaftler des Jahres, meint, dass die Sperrstunde um 22 Uhr schon viele Infektionen verhindert habe. Ist Ihnen das egal?

Er sprach von der letzten Welle, zu Omikron gibt es diesbezüglich noch keine verlässlichen Daten. Wir sehen eine total geringe Virulenz, daher muss man konsequent auch die Sperrstunde anpassen.

Geringe Virulenz heißt ja nicht geringe Infektiosität. Im Gegenteil: Die Omikron-Variante ist extrem ansteckend. Zu später Stunde, wenn die Stimmung besser wird, steigt die Gefahr für Infektionen …

… die trotzdem keine zunehmende Belastung für die Intensivstationen sind – der eigentliche Grund, warum wir das alles machen. Herr Klimek hat schon recht – aber jetzt ist das anders. Die Wahrheit ist: Die Sperrstunde um 22 Uhr ist nicht effektiv, man muss den Mut haben, das wieder zurückzunehmen.

Auch der Handel trage sehr wohl zum Infektionsgeschehen bei, sagt Klimek. Sollte man nicht mehr auf die Wissenschaft hören?

Wenn alle Masken tragen, ist die Ansteckungsgefahr laut Max-Planck-Gesellschaft bei 0,1 Prozent. Die Maskenpflicht gilt flächendeckend, also muss das Infektionsgeschehen im Handel deutlich geringer sein. In Wirklichkeit braucht man auch keinen 3G-Test im Handel, wenn man die Menschen mit Maske hineinlässt. Angesichts der hohen Durchimpfungsrate und der Rate an Genesenen habe ich in der Bevölkerung bereits eine Grundimmunisierung. Wir müssen weg von dieser sinnbefreiten Debatte. Dieses Wirrwarr an Regelungen wie 2G und Sperrstunde um 22 Uhr kann man niemandem mehr erklären.

Warum dringen Sie damit bei der Bundesregierung nicht durch?

Die Freiheit gehört den Bürgern und nicht der Regierung. Die hat die Pflicht, die Einschränkungen der Freiheit schnellstmöglich wieder zurückzunehmen. Wir verlangen ja nicht, dass das ab morgen gilt, eine Sperrstunde um 24 Uhr wäre Schritt 1 ab den Semesterferien, der zweite Schritt könnte im März folgen.

"Wir fühlen uns vorgeführt und gefrotzelt", klagen Wirte. Was antworten Sie als Interessenvertreter den Wirten?

Sie haben zu 1000 Prozent recht. Wir werden ja gemeinsam gefrotzelt. Die riesige Mehrheit, 99,9 Prozent, halten sich an die Regeln. Umso mehr müssen wir Druck auf die Regierung machen, dass sie diese Regelungen zurücknimmt.

Haben Sie sich über Après-Ski-Betriebe, die sich an keine Regeln halten, auch maßlos geärgert?

Ich ärgere mich über alle, die Regeln nicht einhalten. Das gibt es rund um den Globus. Ich wehre mich aber gegen den Generalverdacht, alle seien Verbrecher. Schwarze Schafe wird es immer geben.

Mit dem Begehren, die Impfpflicht aufzuschieben, ist die Wirtschaftskammer gescheitert – warum konnten Sie sich nicht durchsetzen?

Das sehe ich anders: Die Regierung hat das Gesetz komplett neu geschrieben. Unsere massiven Einwände als Sozialpartner haben sehr stark Früchte getragen. Das Scharfschalten erst mit 16. März gehört dazu.

Mit dem Gesetz, wie es beschlossen wurde, und der Impflotterie können Sie also gut leben?

Unsere Argumente wurden gehört. Damit wird man in der Republik arbeiten können, aber man muss die vielen Menschen, die große Vorbehalte haben, abholen – mit Information und Transparenz.

Sind Lockdowns für Sie nun auf längere Sicht kein Thema mehr?

Wir kommen in einer Phase, wo die soziale Kontaktbeschränkung keinen Sinn mehr machen. Die Kosten eines Lockdowns überwiegen in der Zwischenzeit den Nutzen. Wenn nicht eine extrem virulente Virenvariante kommt, wo die bestehenden Impfstoffe keine Wirkung haben, gibt es auf absehbare Zeit kein Szenario, wo wir einen Lockdown brauchen.