Die österreichischen Handelsbetriebe machen Druck – in einer konzertierten Aktion haben Interessensvertreter zu Wochenbeginn einen Appell an die Bundesregierung gerichtet. Das klare Ziel: Mit Einführung der Impfpflicht Anfang Februar soll auch die 2G-Kontrollpflicht durch den Handel wegfallen.

Diese – aus Sicht der Branche – ohnehin umstrittene Maßnahme sei spätestens ab diesem Zeitpunkt „nicht mehr gerechtfertigt“, betont auch der steirische Handelsobmann Gerhard Wohlmuth. „Wir können und wollen nicht ewig die Kontrolleure spielen“, so der Tenor. Gemeinsam mit Bundesobmann Rainer Trefelik pocht er auch darauf, dass der Lockdown für Ungeimpfte generell wegfallen sollte. Die Einbußen, die sich für den steirischen Handel dadurch ergeben, seien immens, beklagt Wohlmuth. „Wir verzeichnen bei Frequenz und Umsatz derzeit ein Minus, je nach Geschäftstyp und Lage, von 30 bis 70 Prozent. Das Geschäft geht sonst den Bach hinunter, das kann so nicht weiter gehen.“

Frage der Verhältnismäßigkeit

Rückenwind ortet der heimische Handel, wie berichtet, zum einen durch einen Gerichtsentscheid in Bayern, der die dortige 2G-Regelung im Handel gekippt hatte. Zudem führt man auch ein Rechtsgutachten des Privatdozenten Bernhard Müller (Partner bei der Kanzlei Dorda) ins Treffen. Demnach bestehe der Zweck der bevorstehenden Impfpflicht darin, die Impfquote zu erhöhen und die Spitäler damit langfristig zu entlasten. Bisher sollte ein Lockdown für Ungeimpfte zum Impfen motivieren. Diese Motivation sei aber angesichts der Impfpflicht nicht mehr notwendig, so das Fazit.

„Der Eingriff in die Erwerbsfreiheit, der mit der 2G-Pflicht im Handel – samt 2G-Kontrollen – verbunden ist, verliert somit durch die Impfpflicht jedenfalls seine Verhältnismäßigkeit.“ Sie sei damit auch verfassungswidrig, meint Wohlmuth. Da die Impflicht überall gelte, wäre es ein rechtlicher Widerspruch, sie punktuell im Handel zu überprüfen, legt Trefelik die Position des Handels klar. Der Handel kämpft derzeit auf mehreren Ebenen mit Problemen. Wie berichtet, verleihen immer wieder verärgerte Kunden bei 2G-Kontrollen ihrem Unmut in Geschäften lauthals Ausdruck.

"Eine Katastrophe für die betroffenen Betriebe"

Ein weiteres Problem, insbesondere für Innenstadtgeschäfte: Die regelmäßigen Corona-Demonstrationen in Stadtkernen. Die Wiener City-Kaufleute haben ihre Kritik jetzt in Form eines offenen Briefs an die Stadtregierung gebündelt.Sie warnen vor einem nahenden Geschäftssterben, weil die Demos Kundenfrequenz und Umsätze massiv nach unten drücken würden. Man pocht auf das Recht der Erwerbsfreiheit, das neben dem Recht auf Versammlungsfreiheit ebenfalls eine Rolle spielen müsse – und fordert, dass Protestmärsche aus den Innenstädten in andere Bezirke verlegt werden.

Wohlmuth kennt diese Verärgerung auch aus der Steiermark: „Mit diesem Problem haben wir ebenfalls zu kämpfen, viele Kunden sind verängstigt und meiden daher die Innenstädte. Das ist für die betroffenen Betriebe eine Katastrophe.“

"Froh, dass die Diskussion geführt wird"

„Mit großem Unbehagen“ beobachtet der Grazer Citymanager Heimo Maieritsch die Demos in den Stadtkernen, die häufig an einkaufsstärkeren Samstagen stattfinden. „Von vielen Berichten von Kaufleuten weiß ich, dass man die Demos an den Kassaständen ablesen kann“, bestätigt Maieritsch die Umsatzeinbußen. Doch will er nicht so weit gehen wie die Wiener Branchenkollegen und explizit eine Verlegung der Demos gegen Coronamaßnahmen an weniger sensible Orte fordern. „Aber ich bin froh darüber, dass die Diskussion geführt wird, und wäre schon dafür, dass nicht immer die gleichen Straßen und die gleichen Geschäfte betroffen sind.“

Die Gemengelage aus Lockdown für Ungeimpfte, verpflichtende 2G-Kontrolle und der teils aufgeheizten Stimmung bekommt auch das größte Kaufhaus in der Grazer Innenstadt, Kastner & Öhler, immer wieder zu spüren: „Wir haben einen deutlichen Einbruch bei der Frequenz und beim Umsatz“, erklärt Vorstand Martin Wäg. „Die einen dürfen nicht kommen – und die anderen kommen aus Sorge nicht.“